Читать книгу Ausstieg / Glücksspieler / Gefährliche Erben - Drei Romane in einem Band - Elfi Hartenstein - Страница 35

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Eine halbe Stunde später stieg Lou Feldmann an der Thielallee aus einem Taxi, wartete bis es verschwunden war und ging dann in die Seitenstraße hinein, die auf die Straße Im schwarzen Grund mündete. Am Eingangstor zu Dimitri Cordalis’ Stadtvilla drückte er auf die Klingel. Es dauerte. Er klingelte erneut. Cordalis erschien in der Haustür, neben ihm sein Hund, und kam die Einfahrt herauf. „Der Türöffner ist kaputt.“

Feldmann folgte Cordalis durch den gepflegten Garten auf die hintere, von außen nicht einsehbare Terrasse. Der Hund trollte sich unter die Büsche. Die Terrassentür stand offen. Man konnte in den Salon hineinsehen. Parkettboden, ein großer marokkanischer Teppich, eine graue Ledergarnitur.

„Wenn Sie was trinken wollen – steht alles drin an der Bar. Bedienen Sie sich. Rudi wird Sie nicht hindern.“

Feldmann schüttelte den Kopf, nickte zu einem der Terrassenstühle.

„Setzen Sie sich“, forderte Cordalis ihn auf. Sie setzten sich einander gegenüber. Cordalis sah Lou prüfend an, dann stand er auf. „Ich hole mir was.“

„Für mich auch“, sagte Feldmann. „Egal.“

Cordalis kam nach einer Weile wieder. Zwei Gläser Pastis mit Eis und eine Karaffe Wasser auf einem Tablett. Sie gössen sich ein, prosteten sich zu, tranken.

„Wie geht es Andersen?“, fragte Feldmann.

„Er schläft viel. Die Ärztin gibt ihm Morphium gegen die Schmerzen. Immer wenn er wach ist, erkundigt er sich nach Ihnen. Er will wissen, was ich von Ihnen halte.“

„Und was halten Sie von mir?“

Cordalis lächelte. „Mein Bild ist nicht vollständig. Aber was ich vor allem sehe, ist, dass Sie müde sind.“

„Ja. Müde, vielleicht, vielleicht auch resigniert. Früher habe ich geglaubt, ich könne was ändern.“

„Aber es bleibt wies war.“

„Nein. Es wird schlimmer.“

Dimitri Cordalis sah ihn an. Er wusste, weshalb Lou Feldmann gekommen war. „Sie wollen mich nach Sergej Medwed fragen.“

Feldmann nickte. „Medwed ist abgehauen. Aber Sie werden mir wahrscheinlich nichts über ihn sagen, weil Sie dummerweise einen Friedensvertrag haben.“

„Den habe ich gekündigt.“ Cordalis war klar, dass Feldmann mehr wissen wollte. „Es deutet einiges darauf hin“, schob er nach, „dass Medwed an der Ermordung meiner Freundin Elena Iwanowa nicht unschuldig ist.“

„Wissen Sie Genaueres?“, fragte Feldmann.

Cordalis zuckte die Schultern. „Gerüchte.“

„Dann waren Sie jedenfalls nicht derjenige, der Medwed gewarnt hat?“

Cordalis lachte kurz und trocken auf. „Nein. Mir ist es lieber, die Polizei greift: ihn sich.“

Er nahm einen Schluck von seinem Pastis, wischte sich mit der Hand über den Mund. „Ein paar Anrufe, und ich habe ihn gefunden. Ich gebe Ihnen Bescheid.“

„Medwed ist eine kleine Nummer. Wer sind die Leute, die hinter ihm stehen?“, fragte Feldmann.

Cordalis schaute vor sich hin und tat, als habe er diese Frage nicht gehört.

Feldmann würde nicht mehr erfahren. Er stand auf. „Trotzdem danke. Grüßen Sie Andersen von mir, bitte.“

Cordalis, der ebenfalls aufgestanden war, nickte. „Passen Sie auf sich auf“, sagte er, als Feldmann sich, die Hand grüßend erhoben, auf den Weg machte. Hund Rudi begleitete ihn freundlich hechelnd zum Tor.

Auf der Straße stellte er fest, dass in dieser Gegend kaum mit einem irgendwo zufällig vorbeifahrenden Taxi zu rechnen war, was ihn einigermaßen befriedigte. Er verspürte nicht die geringste Eile, ins Kommissariat zurückzukehren. Folglich verzichtete er auch darauf, sein Handy zu ziehen und ein Taxi herbeizurufen, sondern schlenderte gemächlich die stille Brümmer Straße hinunter zum U-Bahnhof Dahlem-Dorf.

Es war später Nachmittag, als er zu seinem Wagen ging. Seine Beschatter hatten sich offenbar in Luft aufgelöst. Als er hinter dem Steuer saß, fühlte er sich mit einem Mal fürchterlich müde, so müde, dass er eine Weile brauchte, um den Motor anzulassen und loszufahren. Die Arbeitswoche war anstrengend gewesen. Unter anderen Umständen hätte er sich auf ein ruhiges Wochenende gefreut. Aber noch war nichts erledigt und deshalb an Erholung auch nicht zu denken.

Er wusste nicht recht, wo er hinwollte, auch nicht, warum er den Weg nach Friedenau und zur Wielandstraße nahm. An der Ecke, wo Hedwig- und Wielandstraße sich kreuzten, hielt er an und sah hinüber zu dem Eckhaus, in dem Andersen gewohnt hatte und zu der nach wie vor geschlossenen Kneipe im Erdgeschoss. Er hätte nicht sagen können, warum er den Motor abstellte, warum er sich überhaupt hier aufhielt, wusste nur, dass er seinen Job riskiert hatte, ohne dass ihn das besonders bedrückte. Mein Gewissen ist mir wichtiger als mein Job, dachte er und dabei wurde ihm klar, dass ihm seine Arbeit tatsächlich unwichtig geworden war.

Er hatte, als er stehen blieb, den Wagen nicht eingeparkt, sondern ihn direkt an der Kreuzung angehalten. Während er noch immer dasaß und darüber nachdachte, warum er verdammt noch mal Polizist geworden war, war eine Frau in ihr am Straßenrand geparktes Cabrio eingestiegen und hatte das Verdeck heruntergelassen. Jetzt hupte sie. Feldmann drehte den Kopf und sah zu ihr hinüber. Die Frau, stellte er fest, war vielleicht dreißig, hatte jedoch Schminke im Gesicht, die die Falten einer Siebzigjährigen übertüncht hätte. Weil im selben Moment sein Handy klingelte, fuhr er, bevor er sich mit einem knappen „Ja“ meldete, ein paar Meter weiter, damit die Cabriofahrerin zurücksetzen konnte. Remy Straub war am Telefon. Er hörte ihr einen Moment zu, nickte. „In einer Stunde“, sagte er und fuhr los.

Bei einem Kaufhaus in der Schlossstraße stellte er den Wagen ab und steuerte auf geradem Weg die Wäscheabteilung für Damen an. Dort sah er sich etwas irritiert nach einer Verkäuferin um, die ihn beraten konnte. Er war so konzentriert auf die junge Frau, die sich ihm voraus durch die Gänge und zwischen den Verkaufsvitrinen hindurch schlängelte, um ihm verschiedene Marken, Ausführungen und Preislagen zu zeigen, dass er auf nichts und niemanden sonst achtete. So entgingen ihm auch die neugierigen Blicke, mit denen Hanna, die attraktive Frau seines Kollegen Arno Schneider, ihn beobachtete, bevor sie, mit Tüten bepackt, das Kaufhaus verließ, vor dem sie auf dem Gehsteig stehen blieb und sich suchend umschaute. Sie musste nicht lange warten. Hauptkommissar Arno Schneider, der in der Nähe im Halteverbot hinter dem Steuer saß, bemerkte seine Frau noch bevor sie seiner gewahr wurde und kam sofort angefahren, um sie abzuholen. Sie ließ sich aufatmend neben ihm auf den Beifahrersitz fallen und blinzelte ihm verschwörerisch zu. „Ich wette, Lou hat eine neue Freundin.“

„Wieso?“, fragte Schneider gelangweilt.

„Weil er Damenslips einkauft, und T-Shirts.“

Mit einem Mal zeigte sich Schneider hoch interessiert. Er stieg auf die Bremse und lenkte den Wagen an den Straßenrand. „Dann lass uns mal sehen, wo er die hinbringt.“

Als Lou Feldmann mit einer Einkaufstüte das Kaufhaus verließ, in seinen Wagen stieg und losfuhr, folgte ihm Schneider in sicherem Abstand.

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