Читать книгу Ausstieg / Glücksspieler / Gefährliche Erben - Drei Romane in einem Band - Elfi Hartenstein - Страница 38

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Es war später Abend, als Feldmann in seiner Wohnung in der Langenscheidtstraße ankam und müde die Stufen in den dritten Stock emporstapfte. Er schloss die Wohnungstür auf, ging in die Küche, warf sein Sakko über einen Stuhl, legte das belegte Baguette, das er unterwegs gekauft hatte, in die Mikrowelle. Dabei streifte sein Blick den Herd, auf dem er nie wieder gekocht hatte, seit Marie tot war. Sie hatte seine Kochkünste gelobt, aber sie war immer besser gewesen. Beiden hatte es Freude gemacht zu kochen. Gemeinsam zu kochen. Drei Zimmer hatten sie. Genug für uns beide, hatte sie gesagt. Es war Liebe. Ein Zimmer für sie. Ein Zimmer für ihn. Ein gemeinsames Zimmer. Die kleine Küche. Der Balkon.

Er hatte gerade das Sechs-Zimmer-Haus seiner Eltern am Britzer Garten aufgegeben, weil er dachte, es sei an der Zeit, dass Manu endlich auf eigenen Füßen zu stehen kam, der sich mit Britz als Rückzugsort und Notanker nie weiterentwickelt hätte. Immer, wenn er wieder irgendwo Schiffbruch erlitten oder eine angefangene Ausbildung hingeschmissen hatte, war Manu zurückgekommen, hatte sich auf die Terrasse oder in den Garten gesetzt und sich mit nichts anderem beschäftigt, als von einer anderen Zukunft zu träumen oder um seine Eltern zu trauern.

Irgendwann einmal war Lou das alles zu viel geworden, er wollte weder Haus und Garten versorgen, noch ständig hinter Manu her sein, ihn aufmuntern, ihn zum nächsten neuen Versuch animieren müssen. Er wusste, dass Manu mit seinen damals zwanzig Jahren noch Zeit hatte, seinen Weg zu finden, aber er wollte ihn dazu bringen, seine Schritte in eigener Verantwortung zu gehen. So war er zu dem Schluss gekommen, dass es das Beste war für sie beide, das Haus zu verkaufen. Damit Manu die Chance hatte, sich um sich selbst zu kümmern. Und damit er, Lou, nicht ständig ein schlechtes Gewissen haben musste, wenn er wieder einmal tagelang rund um die Uhr nicht von seiner Arbeit loskam. Von dem Erlös des Hauses hatte Lou zwei Wohnungen gekauft. Diese hier. Und die andere, in der Manu jetzt wohnte und Miete bezahlte.

Die Mikrowelle klingelte. Lou nahm das Baguette heraus, griff nach einer Serviette, ging an dem Zimmer vorbei, in dem Marie gewohnt hatte. Die Tür war zu. Er hatte sie zuletzt vor einem halben Jahr aufgemacht, sich eine Weile auf ihr Bett gesetzt und dann die Tür wieder verschlossen. Jetzt setzte er sich auf den Balkon. Sah gegenüber durch die Platanenblätter das Flimmern der Fernsehgeräte in den Wohnungen auf der anderen Straßenseite. Er hatte keinen Hunger. Trotzdem biss er ein paar Stücke von dem Baguette ab, kaute lange darauf herum, ging in die Küche zurück und warf den Rest in den Abfalleimer, der längst voll war und einen unangenehmen Geruch verströmte. Seufzend knotete er die Plastiktüte fest zu und stellte sie in den Flur neben die Tür, so, dass er darüber stolpern würde, wenn er die Wohnung verließ. Dann holte er sich zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank, setzte sich wieder auf den Balkon, starrte in die Bäume und wartete, dass ihm die Augen zufielen.

Marie.

Und er dachte an Sylvie Westphal. An ihre Augen. Die Farbe ihrer Augen. Und verglich sie mit Maries Augen. Sie waren fast gleich. Er dachte an Westphals Gang, an ihre Figur, an dieses sanfte Lächeln und immer wieder nur: Marie.

Warum hab ich sie nicht mitgenommen, fragte er sich. Warum bin ich nicht mit dieser Ärztin ins Bett gegangen. Er hatte ihr Verlangen gesehen. Und sie hatte seine Angst gesehen. Seine Verletzlichkeit. Sie hatte ihn erkannt. Wenn ich Hufe hätte, würde ich jetzt scharren. Und wenn ich ein Hengst wäre, würde ich jetzt wiehern. Aber er scharrte nicht mit den Hufen. Er wieherte nicht. Ihm graute einfach vor dem nächsten Verhängnis. Aus Erfahrung feige, dachte er, stand auf, schloss die Balkontür und ging in sein Schlafzimmer.

Dann lag er im Bett, trank die dritte Flasche Bier aus, wälzte sich auf die Seite und wieder auf den Rücken und war trotz seiner Müdigkeit noch immer zu wach, um einzuschlafen.

Aber morgen war Samstag und er konnte, wenn ihm danach war, sich zwei Tage lang einfach unsichtbar machen.

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