Читать книгу Ausstieg / Glücksspieler / Gefährliche Erben - Drei Romane in einem Band - Elfi Hartenstein - Страница 52

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Das Loch, das sich vor Remy Straub auftat, nachdem Feldmann gegangen war, war tief. Und es schien, je länger sie auf der Pritsche in ihrer Zelle saß und vor sich hin stierte, ständig tiefer zu werden. Ich bin ein Schaf, dachte sie. Ein Schaf. Sie hatte sich fügsam wie ein Schaf ins Gefängnis führen lassen, durch die Gänge, die Türen hatten sich hinter ihr geschlossen und sie war weiter brav einer Schließerin gefolgt und in die Gefängniszelle gegangen. „Sie kennen sich ja aus“, hatte die Schließerin gesagt, bevor sie die Tür hinter ihr schloss. Ja. Sie kannte sich inzwischen aus. Eine Zelle wie die andere.

Ihr Atem wurde flach. Sie versuchte sich zu erinnern. Der Bulle Feldmann drängte sich in ihre Gedanken. Dass er nicht hinter ihrer erneuten Festnahme in Erik Bahrs Wohnung stecken konnte, war ihr klar. Er schien tatsächlich anders zu ticken als seine Kollegen. Trotzdem war er ein Bulle. Ein ganz offensichtlich allein und ohne Rückhalt agierender Bulle. Der es vielleicht sogar wirklich gut mit ihr meinte. Aber in ihrem bisherigen Leben hatte sie lernen müssen, dass Begriffe wie Recht und Gerechtigkeit bloße Formeln waren. Dass man ein Nichts war ohne die richtigen Verbindungen und Kontakte. Und dass Leute wie sie einfach auf die Abschussliste gehörten. Die einzige Ausnahme aus dieser Regel hatte Elena Iwanowa verkörpert. Die hatte eine andere Vorstellung von Menschlichkeit gepflegt. Aber sie war tot. Und jetzt galten wieder die Gesetze der Wildnis. Sie hatte sich ihre Freiheit nicht nur einmal mit ihrem Körper erkauft. Auch bei dem einen, der sie mit dem für ihren einzigen Freund tödlichen Stoff bezahlt hatte. Und Staatsanwalt Roth fiel ihr ein, der ihrem Stiefvater offensichtlich verpflichtet war, dem tadellosen Richter, diesem Dreckskerl, der es immer wieder darauf anlegte, sie einsperren zu lassen. Eine Tochter, die auf der Straße lebte, war seinem Ruf nicht förderlich. Nein, Feldmann hatte keine Chance, den guten Bullen zu machen. Und es war dumm und naiv von ihr, sich ausgerechnet von ihm solche Flausen in den Kopf setzen zu lassen. Geschäftsführerin hatte er gesagt, Sie werden Geschäftsführerin ...

Remy Straub schniefte und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab, die ihr über die Wangen liefen. Dass sie kein Taschentuch zur Hand hatte, machte sie zusätzlich wütend. Dieser Bulle konnte hundertmal eine Kneipe aufmachen und ihr anbieten, dort zu arbeiten – Worte, nichts als Worte – nichts würde geschehen, nichts. Sie saß hier und wusste nur zu genau, dass sie ausgeliefert war. Es musste nur Nacht werden ... Sie spürte, wie ihr Atem flach wurde, auf ihrem Brustkorb drückten die Zellenwände, die Mauern, die Gitter, es kam nicht mehr genug Luft in ihre Lungen – Klaustrophobie, hatte ihr ein Psychologe erklärt, klassisch. Remy Straub versuchte ruhig zu bleiben, ruhig zu atmen, aber es gelang ihr nicht. Die Demütigung kam wieder in ihr hoch: Wie ein fügsames Schaf hatte sie sich verhalten. Dann griff sie den Stuhl und hieb mit ihm auf das Klo ein, immer wieder, bis er in seine Einzelteile zerfiel, dann stürzte sie sich mit einem Schrei auf das Waschbecken, versuchte es aus den Wandhalterungen zu zerren, griff den Tisch, warf ihn gegen die Wand und schrie und schrie und schlug um sich, bis die Schließerinnen kamen und eine Gefängnisärztin, die ihr eine Spritze verpasste.

Als sie wieder aufwachte, lag sie festgeschnallt auf einer Pritsche in der Beruhigungszelle. Benommen sah sie hoch und sah verschwommen eine Frau, die sie von irgendwoher zu kennen schien. Aber ihr fiel nicht ein woher. Es war die Leiterin der Haftanstalt, Friederike Brettschneider, die sie mit großer Besorgnis betrachtete.

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