Читать книгу Ausstieg / Glücksspieler / Gefährliche Erben - Drei Romane in einem Band - Elfi Hartenstein - Страница 59
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ОглавлениеLou Feldmann stand in seiner Gaststube und dachte nach. Irgendetwas musste jetzt geschehen. Er musste etwas tun, konnte nicht einfach dasitzen und den Lauf der Dinge abwarten. Er schob Tische hin und her, verstellte Stühle, setzte sich probehalber, stand wieder auf, verrückte die Möbel erneut.
Manu, der mit ihm gekommen war, las inzwischen den Pachtvertrag, den sein Onkel mit Andersen geschlossen hatte, steckte ihn dann in die Mappe zurück, aus der er ihn genommen hatte und nickte anerkennend. „Gute Sache“, sagte er. „Fair. Damit kann dir eigentlich nichts passieren. Aber du verstehst nichts von Geschäften.“
„Wieso verstehe ich nichts von Geschäften?“, fragte Lou. „Meinst du, weil ich dir immer wieder Geld gegeben und es nicht zurückverlangt habe?“
Manu grinste. „Das hinterlässt einen bleibenden Eindruck.“
„Wenn’s dich beruhigt – ich werde eine Geschäftsführerin anstellen. Remy Straub.“
Manu sah seinen Onkel mit großen Augen an. „Dieselbe Remy Straub, die bei mir ...?”
„Sehe ich aus, als kenne ich mehrere davon?“
„Ich denke sie sitzt?“
„Nicht mehr lange.“
„Du hast wirklich einen Narren an ihr gefressen.“
„Sie hat den aufrechten Gang. Und sie erinnert mich an dich, als du kleiner warst: hochintelligent, selbstbewusst, geschäftstüchtig, stark – nur dass du leider aus deinen Talenten nichts gemacht hast.“
„Kommt ja vielleicht noch“, sagte Manu. „Aber wo ich nun den Vertrag hier gelesen habe, bin ich bereit, dich mit meinen eingeschlafenen Talenten zu unterstützen. Womit, meinst du, soll ich anfangen?“
„Mach bekannt, dass das mein Lokal ist. Als Erstes am besten mit einem Schild, einer Außenbeleuchtung, mit der Aufschrift LOU’s Großbuchstaben, verstehst du? Und danach musst du mir ein paar Termine machen bei den Ämtern. Einen Schnellkurs für Wirte, Hygieneunterweisung und all dieses Zeug. Einen Gesundheits-Check habe ich erst vor vier Wochen machen müssen, als ich noch Beamter war. Ich habe keine ansteckenden Krankheiten, außer vielleicht unüberbrückbare Zweifel am System.“
Von der Straße her klopfte es an die verschlossene Außentür.
„Siehst du mal nach?“, fragte Lou, während er einen Tisch verrückte.
„Wenn du mich fragst“, sagte Manu, „ich würde da hinten einen Billardtisch aufstellen. Ich kenne jemand, der günstig einen verkauft.“ Er schloss die Tür auf.
Lou nickte. „Okay. Gute Idee. Besorg ihn.“
Vor der Tür stand Ricardo Mittelberger. Manu sah ihn fragend an.
„Du kannst mich ruhig reinlassen, Manu. Dein Onkel und ich kennen uns ganz gut“, sagte Ricardo. Er hob die Hand und winkte Lou zu. Der winkte zurück.
„Gut“, sagte Manu, „dann gehe ich jetzt und mache mich an die Arbeit.“
Ricardo machte ein paar Schritte in den Raum hinein, blieb vor Lou stehen und schaute sich um. Ihm war anzumerken, dass ihm gefiel, was er sah. Er ging hin und her, kam zurück, setzte sich an den Tresen, sah sich erneut um, stand auf, setzte sich einen Hocker weiter wieder hin, nickte zustimmend. „Tolles Lokal. Ich würde da nicht viel dran ändern.“ Er atmete tief durch. „Du musst aufpassen, dass das hier nicht zu meinem Wohnzimmer wird.“
„Du bist groß genug“, sagte Lou, „du kannst schon selber auf dich aufpassen. Niemand wird dich daran hindern, in dein Verderben zu rennen. Ein Bier?“
Ricardo nickte. Lou stellte ihm eine Flasche hin und ein Glas. „Vom Fass wird erst geliefert.“
Ricardo schenkte sich ein, sah Lou mit einer undefinierbaren Mischung aus Sorge und Melancholie an. „Sie wollen dich fertig machen. Deinen Ausstieg gönnen sie dir nicht. Und schon gleich gar nicht mit so einer wunderbaren Kneipe.“
„Weil ich sie von Andersen gepachtet habe?“
„Sie glauben alle, dass du ihn versteckst. Ich übrigens auch. Aber ich finde es gut. Er ist reif fürs Altenheim. Und er war kein gewalttätiger Verbrecher.“
„Er stirbt“, sagte Lou, „bald.“
„Ein Grund mehr für deine Entscheidung. Möglich, dass sich ein paar Leute daran stören, in deren Wohnung mal eingebrochen wurde. Kann ich verstehen, wer mag schon einen Eindringling in das eigene intime Nest – aber solange sie sich nicht darüber aufregen, dass der Geheimdienst sie beim Vögeln und auf dem Klo filmt und jedes Gespräch belauscht und jeden Internetanschluss und jedes Telefonat überwacht, nur weil jemand irgendwann einmal mit einem Araber gesprochen hat oder mit ihm in einer Kneipe gesessen oder vielleicht – ganz schlimm – mit ihm in einer Moschee gebetet hat ...”
„Manche haben gar nichts gemacht“, sagte Lou, „jeder Mensch ist verdächtig und deshalb eine Jobgarantie für die Geheimdienstler.“ Er nahm sich auch eine Flasche aus dem Kasten, öffnete sie, trank daraus ein paar Schlucke. „Wo wollen sie ansetzen, meine lieben Ex-Kollegen, um mich fertigzumachen?“, fragte er dann. „Gewerbeaufsicht, Hygienepolizei – oder wollen sie bei mir Drogen deponieren – hast du irgendetwas gehört?“
„Ich weiß es nicht. Aber halt die Augen offen. Gestern hockten Winkler und sein Kumpel Roth bei Emil abgesondert in einer Ecke. Ich bin sicher, dass es um dich ging.“
„Vor Winkler fürchte ich mich nicht. Aber ich wüsste nicht, was ich mit dem Roth machen sollte.“
Ricardo trank sein Glas leer und setzte es mit Nachdruck zurück auf den Tresen.
„Wie du weißt, hab ich ja früher mal Jura studiert, bevor der Staat sich mein Talent für den finalen Rettungsschuss zu eigen gemacht hat. Irgendwann vor nicht allzu langer Zeit, als ich mich gelangweilt habe, hab ich mir Roths Doktorarbeit geschnappt und darin gelesen. Ich möchte behaupten, dass das, was da drin steht, mir lange vorher schon mal irgendwo begegnet ist. Kam mir jedenfalls recht bekannt vor.“ Er warf Lou einen prüfenden Blick zu. „Du verstehst?“ Der nickte. „Ich meine“, schob Ricardo nach, „du könntest vielleicht hier ansetzen. Hat schließlich schon Prominentere auf diese Art und Weise erwischt. Es muss ja nicht immer Korruption und Steuerbetrug « sein.