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Wer Recht hat, sagt die Wahrheit

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Sinnvoller – und auch anschaulicher – als eine Definition des Rechts erscheint mir daher, seine Dimension anhand von Beispielen darzustellen. Die oben aufgeführten Situationen sollen das verdeutlichen. Bitte lesen Sie jetzt (noch einmal – oder wenn Sie vorhin gelangweilt darüber hinweggehuscht sind, erstmals) das Beispiel (a). Im Beispiel (a) wird schnell klar, was es bedeutet, wenn man urteilen würde: „Markus hat Recht.“ Dies hat nämlich in diesem Zusammenhang gar nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Die Entfernung zwischen Hamburg und Hannover bzw. eine Aussage hierüber ist etwas, das sich einer Bewertung nach den Kategorien „gerecht“ und „ungerecht“ entzieht.

Tatsächlich ist die Aussage über die Entfernung zwischen Hamburg und Hannover eine Aussage, die nur nach den Kategorien „wahr“ und „unwahr“ bzw. „richtig“ und „falsch“ zu beurteilen ist. Die Beurteilung „Markus hat Recht“ bedeutet daher insoweit nicht weniger, aber eben auch nicht mehr, als dass die von ihm getroffene Aussage wahr ist. Es ist eine Aussage ohne moralische oder anderweitige Wertung, die sich nur auf nachprüfbare Tatsachen bezieht. Anders wäre es hingegen, wenn man sagte: „Markus ist im Recht.“ Das „im Recht sein“ statt des „Recht haben“ impliziert, ob man will oder nicht, beim Zuhörer oder Leser immer auch eine Wertung, und sie passt nicht auf das Beispiel (a), weil es hier nur um nachprüfbare Tatsachen geht. Jede Art von nachprüfbarer, beweisbarer Tatsache kann Gegenstand einer solchen wahren Aussage sein, d. h. auch Gefühle, Beobachtungen oder Zustände.

Allerdings muss man auch sehen, dass wenn Markus Recht hat, Claudia zwangsläufig Unrecht hat. In Bezug auf denjenigen, der nicht die wahre, sondern eine falsche oder unrichtige Aussage trifft, impliziert das „Markus hat Recht“ zumindest unbewusst auch ein Gefühl des „im Recht sein“ konkret im Verhältnis zu Claudia, auch wenn dies ihr gegenüber vermutlich gar nicht so gemeint sein mag. Es ist auch nicht so, dass Claudia gelogen hätte oder dass Frauen generell die schlechteren Schätzer sind (sie sind in Wirklichkeit besser, schon weil sie nicht wie die Männer an permanenter Selbstüberschätzung leiden). Sie war wirklich der Meinung, die Strecke zwischen Hamburg und Hannover betrüge 100 km, nur war dies leider tatsächlich objektiv falsch, weil Claudia es schlicht nicht besser wusste.

Wir halten daher fest, dass derjenige, der in bestimmten Situationen Recht hat, lediglich die Wahrheit sagt. „Wahr“ ist hier aber nicht bezüglich des Gegenteils von „unwahr“ oder gar bewusster Unwahrheit gemeint, sondern nur im Sinne von „zutreffend“ oder „richtig“ entsprechend einer objektiven Richtigkeit. Mit Gerechtigkeit aber hat all dies jedenfalls nichts zu tun, und auch bei dem Thema „Recht“ oder „Recht haben“ werden die meisten von Ihnen nicht an Situationen des Beispiels (a) denken oder sie auch entfernt damit assoziieren.

Darf man in einem Rechtsstaat auch links fahren?

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