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Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: ­
keine Bildung

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Zurück zu meinen Studis: An guten Tagen habe ich vergleichsweise wenig zu klagen, was für einen Juristen naturgemäß kein schöner Geisteszustand ist, denn sie (be)klagen (sich) und verklagen (andere) nun einmal gerne. Es kommen dann in Bezug auf meine oben genannte Frage nach den Grundrechten des Bürgers als Antworten immerhin Stichworte wie Versammlungsfreiheit oder Pressefreiheit, und auch von einem Gesetz namens Grundgesetz (allgemeiner, auch synonym verwendet: Verfassung) hat man schon vereinzelt gehört.

Es wird aber ebenso selbstsicher von Studierenden behauptet, dass (ad 1) die Menschenwürde nur Deutschen, nicht aber ausländischen Staatsbürgern zustehe, dass (ad 2) die Religionsfreiheit nur das Christentum, z. B. aber nicht den Islam erfasse, dass (ad 3) die Rechtsfähigkeit des Menschen ein Grundrecht sei, das im Grundgesetz geregelt ist und dass diese mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintrete, dass (ad 4) die Grundrechte von der Bundesregierung durch Regierungserklärung jederzeit geändert werden könnten und dass (ad 5) die Grundrechte gar nach den einzelnen Bundesländern variieren. Diese Kuriositätenliste wird sicherlich im Laufe meines Berufslebens noch ergänzt, aber schon die genannten „Top-Charts“ der Antworten aus den letzten Jahren sollten aufhorchen lassen.

Damit wäre wohl jedenfalls erwiesen, dass die Zeiten, in denen Absolventinnen und Absolventen zum bestandenen Abitur (wie seinerzeit noch der Autor dieser Zeilen im Jahre des Herrn 1994) eine Ausgabe des „Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland“ ausgehändigt bekommen und sie diese womöglich auch noch lesen, endgültig vorbei sind – und dies, obwohl inzwischen der gut sortierte App-Store auch eine „Grundgesetz-App“ vorhält. Ich will damit auch gewiss nicht in die allzu verführerische „Früher war alles besser und die Studierenden wissen immer weniger“-Litanei verfallen, was mangels einer verlässlichen empirischen Datenlage hierzu ebenso pauschal wie unrichtig und daher unfair wäre, und verkneife mir daher weitere Kommentare. Zudem würden die Studierenden sicherlich entrüstet mit einem entschiedenen „Wir können nicht weniger, wir können nur andere Dinge“ (gemeint sind wohl vor allem „die neuen Medien“, die schon gar nicht mehr so neu sind) antworten, ohne dass wir in der Sache irgendwie weitergekommen wären.

Es ist ja auch unbestritten, dass es heute eine Kernkompetenz ist, etwa das iPad oder ein Samsung-Tablet in Sekundenschnelle neu konfigurieren zu können (ich nenne hier juristisch korrekt beide Konkurrenzprodukte, um mir nicht den Vorwurf der Schleichwerbung einzufangen) oder mal eben, im Schach würde man sagen „En passant“, das Set-up für das digitale Haus inklusive automatischer Klospülung mit Sitzheizung neu zu programmieren. Für viele Berufe ist eine Technik- und Elektronikaffinität zudem zwingend notwendig und schützt geradezu spielend dauerhaft vor Arbeitslosigkeit – während der Autor dieser Zeilen mit seinen 43 Lenzen noch zu einer Zeit aufgewachsen ist, in der es keine Handys, sondern noch Telefone mit Wählscheibe (!) gab, und der dankbar ist, dass man mit einem Smartphone immerhin noch einer so profanen Tätigkeit wie dem Telefonieren nachgehen kann.

Und trotzdem, lieber Leser, können Sie sicher sein, dass Demokratie und Rechtsstaat – hoffentlich – auch dann noch unser gesamtes Leben prägen werden, wenn iPad und Samsung-Tablet längst Geschichte sind und eine neue Technologie uns das Denken vollständig abnimmt. Es kann also nicht schaden, sich damit zumindest ein wenig auszukennen und sich mit den wichtigsten Grundzügen dieser unbeschreiblich tollen Staatsform vertraut zu machen. Jeder Mensch, der in Deutschland lebt, wird im Laufe seines Lebens mit Sicherheit an einen Punkt kommen, an dem ihm Demokratie und Rechtsstaat nützlich sein werden oder an dem er gar auf sie angewiesen ist.

Darf man in einem Rechtsstaat auch links fahren?

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