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Was ist denn nun Recht?

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Damit kommen wir zum Schluss doch noch zu einer rechtlichen Definition des Rechts. „Recht“ ist ein schweres Wort. Es in leichter Sprache zu erklären, ist daher nicht einfach. Versuchte man es dennoch, so würde man etwa sagen, dass das Recht gebildet wird aus einem demokratisch legitimierten, durchsetzbaren, bei Nichtbefolgung sanktionierten und universell geltenden System aller geschriebenen und ungeschriebenen Rechtsnormen, die das Zusammenleben der Menschen verbindlich, dauerhaft und mit dem Ziel der Konfliktvermeidung regeln sollen. Rechtsnormen können unrichtig und ungerecht sein. Erst bei schwersten Gerechtigkeitsverstößen jedoch spricht man nicht mehr von Recht. Sofern Rechtsnormen gegen höherrangige Normen verstoßen, spricht man ebenfalls nicht von Recht, selbst wenn dieses nach den Regeln eines Staats wirksam zustande gekommen ist.

Im Gegensatz zu Moral, Sitte und Anstand sollen die Anerkennung des Rechts und seine Durchsetzung allerdings nicht von Herkunft, Religion, Erziehung, Weltanschauung oder Werdegang des Adressaten abhängen, sondern in einer bestimmten Region für alle Menschen gleichermaßen gültig sein. Letzteres ist nicht unwichtig: Das Recht und seine Auslegung sind immer auch von der Sozialstruktur abhängig und daher Änderungen unterworfen. Für die Änderung des Rechts gelten ebenfalls strengere Regeln und formalere Verfahren, als es beispielsweise im Bereich der Moral zu beobachten ist. Im Gegensatz zur Moral aber hat das Recht naturgemäß immer nur eine begrenzte Wirkung. Wer im Privatleben übergewichtige Menschen grundsätzlich meidet und mit diesen nichts zu tun haben möchte, verhält sich zwar nicht ungesetzlich, aber dafür zutiefst unmoralisch.

Dabei möchte ich es für Zwecke dieser Einführung gerne belassen, aber für Schlaumeier sei noch das Folgende angemerkt: Das Wort „Recht“ entstammt, so lehrt uns heute das kostenfreie Wikipedia und nicht mehr der dreißigbändige Brockhaus in der Jubiläumsausgabe mit Blattgoldrücken, aus der indogermanischen Wurzel „reĝ“, was so viel wie „aufrichten, gerade richten“ bedeutet. Das Wort hat somit aus etymologischer Sicht (Etymologie = Lehre vom Ursprung der Sprache) eine zutiefst moralische Komponente. Der etymologische Zusammenhang ist aber der gleiche wie in vielen europäischen Sprachen, und auch in vielen nicht-europäischen Sprachen finden sich Entsprechungen.

Damit wäre auch zugleich geklärt, was wir heute meinen, wenn wir sagen „Herr Müller ist aufrichtig“. Wir meinen damit nicht zwangsläufig, dass Herr Müller sich an alle Regeln hält und den Hausmüll auch im Dunkeln penibel trennt, wenn niemand hinsieht. Wir meinen aber, dass Herr Müller ehrlich und anständig ist. Insofern hat sich die heutige Bedeutung von „aufrichtig“ vom Wortursprung durchaus etwas entfernt. Gleiches gilt für die Redewendung „nach dem Rechten sehen“, die ursprünglich eher juristisch konnotiert war, heute aber einfach nur bedeutet, dass jemand sich um etwas oder jemanden kümmert.

Darf man in einem Rechtsstaat auch links fahren?

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