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Nichts ist für die Ewigkeit – oder doch?

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Eine Abschaffung der Grundrechte bzw. eine Änderung in ihrem Kernbestand ist im Übrigen auch dem deutschen Parlament wegen Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes verwehrt (man nennt das die sogenannte Ewigkeitsgarantie). Der Wesensgehalt der Grundrechte muss für immer, ebenso wie die tragenden Säulen unserer Verfassung (etwa das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip), auch bei Änderungen des Grundgesetzes im Wortlaut unangetastet (das ist Juristendeutsch für „erhalten“) bleiben. So haben es die Väter (ich bitte die Leserinnen, dies nicht als diskriminierend zu verstehen – damals waren nun einmal ausschließlich Männer „am Ruder“) des Grundgesetzes vor dem Hintergrund des Grauens im Nationalsozialismus für alle Zukunft entschieden.

Und schließlich gilt (ad 5): Die Grundrechte sind – natürlich – auch in Sachsen nicht anders ausgestaltet als in Schleswig-Holstein oder im Saarland, und auch für Bayern gilt, ungeachtet der Bezeichnung „Freistaat“ und entgegen der manchmal eigenen Wahrnehmung des Horst Seehofer und seiner Partei in unserem südlichen Bundesland, meines Wissens keine Ausnahme. Das ist schon deshalb formal nicht anders denkbar, weil das Grundgesetz ein sogenanntes Bundesgesetz ist und es damit im gesamten Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland gilt (anders wäre das z. B. bei einem Staatenbund, der kein wirklicher Staat ist und der weder über ein eigenes Gebiet noch über eigene Staatsangehörige verfügt; Beispiele: Die Benelux-Union oder die Andengemeinschaft).

Zwar gibt es, wenn man so will, auch individuelle „Grundgesetze“, d. h. Verfassungen der sechzehn deutschen Bundesländer (nein, Mallorca gehört nicht dazu), und darin finden sich gelegentlich durchaus Überraschungen bzw. Regelungen, die in eklatantem Widerspruch zum Bundesrecht stehen. In Artikel 21 Absatz 1 der Hessischen Landesverfassung etwa heißt es: „Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen und beschränkt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden.“ Im Gegensatz dazu besagt Artikel 102 des Grundgesetzes in aller Klarheit: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ In der Kürze liegt die Würze.

Sollte ich daher, wenn wieder mal am Gehaltsende noch so viele Tages des Monats übrig sind, den nächsten bewaffneten Raubüberfall mit eventueller Todesfolge auf einen Juwelier lieber auf der Düsseldorfer Königsallee statt in der Wiesbadener Wilhelmstraße verüben? Unbedingt, möchte man meinen, denn nur so entgeht man offenbar dem hessischen Henker. Immerhin hilft aber hier der alte Grundsatz: „Bundesrecht bricht Landesrecht“, der in Artikel 31 des Grundgesetzes so kurz wie unmissverständlich kodifiziert worden ist, so dass auch der kapitale hessische Straftäter unbesorgt aufatmen kann.

Darf man in einem Rechtsstaat auch links fahren?

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