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b) Kein Verstoß gegen höherrangiges Recht
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Da die kommunale Satzung in der Hierarchie der Rechtsnormen ganz unten steht und der Satzungsgeber an das höherrangige Recht und insbesondere an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, muss die Satzung nicht nur die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllen, sondern darf auch im Übrigen mit keiner Satzungsregelung gegen höherrangiges Recht verstoßen.
Als höherrangiges Recht kommt zunächst jegliches einfaches Landes- und Bundesrecht in Betracht.
Beispiele
Eine Gemeinde kann durch Hauptsatzung keine andere Bekanntmachungsform für ihre öffentlichen Bekanntmachungen vorsehen, als die in § 4 Abs. 1 BekanntmachungsVO NRW (= Rechtsverordnung des Landes NRW) vorgesehenen.
Ein Bebauungsplan der Gemeinde darf nicht gegen die Baunutzungsverordnung (= Rechtsverordnung des Bundes) verstoßen.
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Von besonderer Bedeutung für etwaige Verstöße gegen höherrangiges Recht sind Vorgaben des Verfassungsrechts. Insbesondere das Rechtsstaatsprinzip verlangt, dass Satzungsbestimmungen verhältnismäßig und bestimmt sind. Zudem dürfen sie nicht gegen Grundrechte verstoßen.
Beispiele
Zulassungsbeschränkungen für Bestattungsunternehmer in einer gemeindlichen Friedhofssatzung müssen deren Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 S. 1, 3 und 2 Abs. 1 GG beachten und insbesondere verhältnismäßig sein.
Der Kreis der kommunalen Betretungs- und Besichtigungsbefugnisse für Geschäfts- und Betriebsräume (z.B. in Entwässerungssatzungen zur Überprüfung von Anlageteilen) muss unter Berücksichtigung der Grundrechte des Geschäftsinhabers namentlich des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) und des Art. 13 Abs. 1 GG (auch Arbeits-, Geschäfts- und Betriebsräume sind vom Wohnungsbegriff umfasst[14]) im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit abgegrenzt werden.
Bußgeldbewehrte Zuwiderhandlungen müssen in den Satzungen hinreichend bestimmt beschrieben werden. Die Höhe der Bußgelder muss verhältnismäßig sein.
Bei rückwirkenden Satzungsregelungen müssen die sich aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip ergebenden Grenzen beachtet werden.
Besondere verfassungsrechtliche Fragen wirft auch der Auswärtigenzuschlag bei kommunalen Abgabensatzungen auf. Es verstößt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts[15] nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn in einer kommunalen Satzung für den Besuch einer – nicht kostendeckend betriebenen – Musikschule von Einheimischen eine um einen Zuschuss der Gemeinde abgesenkte Gebühr erhoben wird, während auswärtige Benutzer die nichtbezuschusste Gebühr bezahlen müssen („Auswärtigenzuschlag“). Art. 28 Abs. 2 GG gestattet jedenfalls bei Einrichtungen ohne Benutzungszwang die Gewährung eines auf die Einwohner der Gemeinde beschränkten Zuschusses zu den – einheitlich festgesetzten und kalkulierten – Benutzungsgebühren, wenn dadurch für die auswärtigen Besucher das (landesrechtliche) Kostenüberschreitungsverbot und der Äquivalenzgrundsatz nicht verletzt werden. Verfolgt eine Gemeinde durch die Privilegierung Einheimischer das Ziel, knappe Ressourcen auf den eigenen Aufgabenbereich (Art. 28 Abs. 2 GG) zu beschränken, Gemeindeangehörigen einen Ausgleich für besondere Belastungen zu gewähren oder Auswärtige für einen erhöhten Aufwand in Anspruch zu nehmen, oder sollen die kulturellen und sozialen Belange der örtlichen Gemeinschaft dadurch gefördert und der kommunale Zusammenhalt dadurch gestärkt werden, dass Einheimischen besondere Vorteile gewährt werden, kann dies auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts[16] mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sein.
Dies ist aber nicht mehr der Fall und führt zur Rechtswidrigkeit des Auswärtigenzuschlages, wenn das Vermarktungskonzept der gemeindlichen Einrichtung gerade darauf angelegt ist, auswärtige Besucher anzuziehen. In einer solchen Konstellation bezweckt die Gemeinde in der Hauptsache gerade nicht, das kulturelle und soziale Wohl der Einwohner zu fördern, die örtliche Gemeinschaft zu stärken, den Nutzerkreis zu beschränken oder durch Verhaltenssteuerung die Auslastung der Einrichtung zu gewährleisten. Die im höheren Eintrittsentgelt liegende Ungleichbehandlung Auswärtiger ist dann nicht mehr durch Sachgründe gerechtfertigt, sondern knüpft ausschließlich an den Wohnsitz an. Der Wohnsitz allein darf kein aber kein zur Benachteiligung legitimierender Grund sein. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 GG (Diskriminierungsverbot wegen der Herkunft) und bei grenzüberschreitenden Bezug auch aus Art. 18 AEUV (Diskriminierungsverbot wegen der Staatsangehörigkeit).