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7. Gesunde Identität als Urzustand

Wollen wir die psychische Entwicklung eines Menschen und damit seine Identitätsentwicklung verstehen, müssen wir ganz am Anfang beginnen. Wenn eine Samenzelle mit einer Eizelle verschmilzt, wie interpretieren wir das? Die Idee, dass ein Sieger-Spermium sich in die Eizelle hineinbohrt, sie kapert und erobert, scheint eine sehr männlich-konkurrenzorientierte Vorstellung zu sein. In Wirklichkeit ist es wohl eher so, dass die Eizelle sich an einer Stelle öffnet und eine Samenzelle einlädt, zu ihr zu kommen. Ob Spermien durch einen Maiglöckchenduft oder durch das weiblich Sexualhormon Progesteron angelockt werden, dazu gibt es in der Wissenschaft unterschiedliche Annahmen.10 Vermutlich ist die erste Begegnung zwischen Ei- und Samenzelle ein Akt der Liebe und nicht des Kampfes.

Auf jeden Fall ist das Zusammenkommen von Ei- und Samenzelle der Zündfunke und Urknall für die Entstehung eines neuen Lebens. So kommt ein neuer Mensch in diese Welt. In ihm sind eine enorme Lebenskraft, ein unbändiger Lebenswille und eine grenzenlose Daseinslust vorhanden, von der er ein Leben lang Gebrauch machen kann. Das ist sein unzerstörbarer Kern in ihm. Er muss sich mit niemandem vergleichen oder unvollkommen fühlen. In diesem Zustand kann sich jeder Mensch wertschätzen indem, was er hat und wer er ist. Das ist der Urzustand einer gesunden Identität.

Seine Anfangs-Stammzellen mit ihrem riesigen Genpool, den sie nutzen können, stellt ein unfassbar großes Potential für das Leben dieses neuen Menschen dar. Es kommt nun darauf an, was davon alles gebraucht wird und was brach liegen bleibt. Wir sind keinesfalls „genetisch determiniert“, wie die übliche materialistische Vorstellung vom Menschsein ist, sondern „Beziehungen und Lebensstile steuern unsere Gene“, wie Joachim Bauer es formuliert. Sie sind das Gedächtnis unseres Körpers.11

Dieser neu entstandene Mensch ist von Anfang an kein Objekt. Er ist ein Subjekt, das unbedingt leben will mit seinen eigenen Lebenszielen. Er nimmt wahr, spürt, fühlt, abstrahiert und handelt angemessen im Rahmen seiner Möglichkeiten, Notwendigkeiten und Bedürfnisse.12

Weil ihm die Eizelle zunächst die Versorgung mit allen Vitalstoffen zu Verfügung stellt, kann sich ein neu entstandener Mensch für 6 bis 10 Tage unabhängig entfalten und wachsen. Er tritt innerhalb der Gebärmutter eine Reise an und sendet Botenstoffe an den mütterlichen Organismus, um an einer Stelle ein immunologisches Vakuum zu schaffen. Dort kann er sich dann in dieser einnisten und eine Plazenta mit Nabelschnur und eine Fruchtblase entstehen lassen.

10 https://www.planet-wissen.de/natur/sinne/riechen/riechen-wissenschaftsstreit-100.html abgerufen am 4.6.2021

11 Joachim Bauer (2002). Das Gedächtnis des Körpers. Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern.

12 Chamberlain, D. (2010). Woran Babys sich erinnern. Über die Anfänge unseres Bewusstseins im Mutterleib.

München: Kösel Verlag.

Ich will leben, lieben und geliebt werden

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