Читать книгу Ich will leben, lieben und geliebt werden - Franz Ruppert - Страница 27
Оглавление22. Psychische Spaltungen als Notlösung
Um die Tatsache des nicht gewollt und nicht geliebt seins zu überleben, bleibt einem Kind nichts anderes übrig, als sein zurückgewiesenes Urbedürfnis nach mütterlicher Liebe und der Spiegelung seiner Lebensfreude durch seine Mutter selbst zu unterdrücken. Es verliert auf diese Weise immer mehr den Zugang zu seiner Lebendigkeit, Liebesfähigkeit und seinem Liebesbedürfnis.
Der Schmerz darüber, von der eigenen Mutter nicht gewollt, nicht geliebt und vor Gewalt nicht geschützt zu werden, die Angst davor, von ihr getötet, verlassen und in Stich gelassen zu werden, sind so riesig, dass eine kindliche Psyche das nicht aushält und daran zerbricht. Sie muss ihre Einheit aufgeben und spaltet sich im Prinzip in drei Anteile (siehe Abbildung 4).
▪ Ein Teil bleibt realitätsbezogen und weiß um den Horror der mütterlichen Gleichgültigkeit, Zurückweisung oder Gewalt, ohne ihn jedoch zu fühlen.
▪ Ein anderer Teil erlebt diese sich ständig wiederholenden, unerträglichen Erfahrungen der Ablehnung und Zurückweisung und fühlt sich diesen ohnmächtig ausgeliefert. Er ist im Schmerz, in der Trauer und in der Angst erstarrt und steckt in diesem Zustand fest.
▪ Eine dritte psychische Struktur verhindert, dass die Verlassenheitsangst und der Schmerz des Ungeliebtseins das eigene Erleben immerzu bewusst prägen. Sie ist weitgehend emotionslos und nur noch in ihrer Gedankenwelt da. Daraus entstehen Einstellungen wie „Ich will nicht verletzlich und bedürftig sein!“ „Ich finde diese Gefühlsduselei übertrieben, lächerlich und kindisch!“ „Ich kann meine Gefühle gut im Zaum halten oder ignorieren.“ „Es geht mir gut.“ „Es ist soweit alles prima und in Ordnung.“
Die Eltern sind froh über ein ruhiges, braves Kind, das keine Ansprüche an sie stellt, sich schnell in eine Kinderkrippe oder einen Kindergarten eingewöhnen lässt und für die Mühen und Sorgen seiner Eltern Verständnis zeigt. „Es geht halt nicht anders!“ „Meine Eltern wollen nur das Beste für mich.“ D.h. die Kinder passen sich an die Spielregeln der Erwachsenenwelt an und nicht wie es umgekehrt richtig wäre: Die Erwachsenenwelt nimmt Rücksicht auf die spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten von Kindern. Die Eltern können sich deshalb in der Illusion wähnen, dass sie ihre Kinder lieben, auch wenn sie körperlich wie emotional nicht für sie da sind. Die Überlebensstrategien der Kinder verhindern deren psychische Reifung. Sie bleiben in ihrer Entwicklung auf einem frühkindlichen Niveau stehen.
Abbildung 4: Das Trauma der Liebe