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1.2.2 Die Welt der Philosophie

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Etwas philosophischer lässt sich die "Welt" bestimmen als die "bekannten Wirklichkeiten mit ihren hintergründigen Möglichkeiten". In der philosophischen Sprache Ludwig Wittgensteins (Tractatus 2.011 ff, gest. 1951) ist die Rede davon, dass "Dinge" die Möglichkeiten, in Sachverhalte einzugehen, als "Präjudiz" enthalten können. Die Welt einer Person, die sich wissenschaftlich ausbildet und bildet, ist elastisch vorzustellen. Sie ist aber auf jeder Entwicklungsstufe total, holistisch, eben ganzheitlich. Ihre Möglichkeiten sind immer dazuzurechnen. Wenn eine Welt zusammenbricht, ist es die innere, die zählt. Sie ist aber auch mit ihren Möglichkeiten der Rettungsanker, solange es um Alternativen geht. Beide, die reale und die mögliche, haben ihre spezifischen Herausforderungen, die praktische und die theoretische. Es ist die ständige Erwartung, von der das Individuum und die Gesellschaft leben, die Erwartung, eine sinnvoll gestaltete Zukunft zu haben. Woher nehmen, wenn man nicht vorher an sie gedacht hat.

Die oben angeführten Stabilisatoren sind Teil unserer Welt, und ihre Verzahnungen geben ihr weitere Festigkeit. Wenn eine große deutsche Bank der hohen Politik mal eben sagt, nicht für Deutschlands Wirtschaft fühle sie sich verantwortlich, sie sei Global Player und 25 % Rendite seien ihr auf dem Arbitragemarkt gerade recht, dann mutet es bedenklich an, wenn es ein Jahr später über diese Teilwelt in den Medien heißt: Diese deutsche Bank "blickte lange auf die Justiz herab" (Nicht über dem Recht, Thomas Magenheim-Hofmann, BZ 15. Dezember 2012). "Siegesgewiss und unangreifbar – das war die Haltung …". Dann kann man seine Verwunderung durchaus auf verschiedenen Stilebenen der Verblüffung zum Ausdruck bringen. Wittgenstein sagt da, die Dinge haben hintergründige Möglichkeiten, in Sachverhalte einzugehen. „Hintergründig“ soll bedeuten, dass man sie schon mal suchen muss, dass sie sich nicht immer anbieten.

Es ist schlimm für eine Bank, einem Kunden zu schaden, um an ihm ordentlich zu verdienen. Dafür gibt es ja Usancen, Konvenienzen, den Usus, und die eben aus gutem Grund. Es ist noch schlimmer für sie, dabei ertappt zu werden, wie sie es anstellt, siehe unten, Zitat. Es wird Sache für das Tollhaus, wenn es wichtig ist, sich ertappen lassen zu müssen, um dieses Ziel zu erreichen und dann damit zu rechnen, die Justiz kann mich mal, die haben alle ein Konto bei uns. Folgende Geschichte ist die Erklärung dafür, wie vier Milliarden DM verbrannt wurden. Eine Teilwelt fühlt sich unkontrolliert, das könnte zur Destabilisierung führen, wie schon oben gesagt.

Zitat: Zum Rebbben kommt ein Geschäftsmann: "Rebbe, was soll ich tun? Alle Leute sagen, ich bin pleite. Dabei habe ich doch mehr als 100 000 Kronen bar!"

Der Rebbe klärt lange und entscheidet: "Wenn alle Leute sagen, du bist pleite, dann bist du über kurz oder lang pleite."

(Salcia Landmann, Der jüdische Witz, S. 127).

In der akademischen Welt wird immer interpretiert. Auch wenn etwas fehlt, muss man es bemerken und der Lücke einen Sinn zu geben in der Lage sein. Im galizischen Shtettl gab es den Schuster, den Wagenmacher, den Krämer und andere, aber nicht das komplette Sortiment der oben genannten Gesellschaftsstrukturen. Daher endet der Witz in dunkler Trostlosigkeit, was fehlt, ist die Hoffnung auf Genugtuung oder sogar auf Schadenersatz. Die Deutsche Bank und ihr Chef-Vertreter müssen mental, wenn überhaupt, eine Shtetl-Welt angenommen haben, auf die sie ihren geistigen Horizont beschränkten, nicht die ausdifferenzierte Gesellschaft, in der wir leben, wo neben der Teilwelt "Wirtschaft" auch eine Teilwelt "Recht" für uns Recht spricht. Man nennt den, der die Dinge zu einfach sieht, einen simplificateur, weil man höflich ist und die Nähe zum Dummdreisten vermeiden möchte. Man wagt es kaum zu sagen, es ist die akademische Welt mit ihren Teilwelten, die unser Gerechtigkeitsgefühl und auch unser Bedürfnis nach stabilen Verhältnissen befriedigt. Der Optimist sagt, trotz allem. Der Pessimist sagt das aber auch. Wir haben, weil wir in den genannten tragenden Teilbereichen unserer Gesellschaft ein wissenschaftlich fundierten Sachverstand, sprich akademische Kompetenz, besitzen, einen Begriff davon, wenn sich Individuen oder Institutionen fehlerhaft oder doch schlicht moralfern benehmen. Gleich zu viert, wie Chorbrüder, behaupten sie, es treffe nicht zu, dass die Bank auf diese Weise ein gut bezahltes Mandat erringen wollte für eine Abwicklung des Riesenvermögens des Klienten und riskieren den begründeten Verdacht auf Prozessbetrug. Auch das noch. Denn Falschaussagen vor Gericht liegen ganz in der Linie des Dummdreisten, sind aber keine Korsettstangen der oben genannten Gesellschaftstruktur. Die Omi, die ihren Sparstrumpf ans Bett hängt, hat kein Vertrauen. Wer sein Erspartes trotz allem zur Bank trägt, macht alles richtig und bekommt ja noch dazu, solange Banker nichts von unserer Ordnung halten, das sensationelle Gefühl von Wagemut. In diesem Zusammenhang auch nur das Thema Boni anzufassen, ist allerdings subversiv und anarchistisch. Das müsste der Staat schon selbst machen, nachdem das Volk nervös geworden ist.

Man muss das ja nicht kommentieren: Wenn sie sich über Usancen und Recht erheben, verkaufen sie das anschließend immer noch als "Unfall". Das ist eine Störung, die kein vernünftiger Mensch, also auch ein Banker, überhaupt gewollt haben kann. Nicht freier Wille, sondern ein rätselhaftes Bankerschicksal hat zugeschlagen. Aber selbst der Supergau in einem Reaktor war eine "Störung", ein "Unfall", den aber, wie man weiß, eine Handvoll Techniker und ein außerplanmäßiges Bereicherungssystem selbst produziert haben. Zahlen müssen dann allerdings alle.

Der Spott über die Bankenwelt, die manches Mal keine Hemmungen kennt, wie im Casino zu zocken, bleibt manchem im Halse stecken. Wenn einzelne "Korsettstangen" ihre Funktionen nicht erfüllen, sind das keine Peanuts (50 Millionen DM, Deutsche Bank) mehr.

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