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2 Selbstverwirklichung 2.1 Kultur und Bildung, Halbbildung

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"Bildung ist …", und dann kommt die Versuchung, mit skalaren und auch schon mal sakralen Begriffen "erstens", "zweitens", "drittens" Ordnung in ein diffuses Thema zu bringen. So geht der wissenschaftliche Geist vor, aber er bietet nicht die einzige Methode, sich einer Sache zu vergewissern. Wenn ein Begriff leben soll, weil er zum Beispiel existentielle Bedeutung hat, man könnte an "Liebe" und "Wahrhaftigkeit" denken, geniert man sich, ihn zu definieren, um ihn ganz zu haben und doch zu wissen, dass man ihn verpasst. Bis zum Abitursaufsatz ein Thema der Intuition, dann erliegt so mancher der Strenge des Positivisten, die hier alles für nette Poesie hält. Ein anderer Weg wäre, sich auf das einzulassen, was diese wohlklingenden Abstrakta konkret sagen wollen. Einlassen bedeutet, eine Beziehung eingehen. Wer mit der Bildung, mit der Liebe, mit der akademischen Welt eine Beziehung eingeht, kann da ruhig an Haut und Haare denken. Es ist, auch wenn wir mit dem Begriff „Schicksal“ nichts anzufangen wissen, die Gelegenheit, uns eine weitere Umwelt zu schaffen, aus Herz und Verstand. Orientierung in variablen Situationen, beim Mensamenü (das Schicksal klopft auch hier) wie bei der Auswahl der richtigen Sekundärliteratur ist angemessen zu bewältigen. Es sind die engeren Zwiebelschalen einer studentischen Existenz, auf die die äußeren Bezug haben, Wahl des Faches, Wahl der Universität. Ein gewisser Orientierungsdruck sorgt dafür, dass jeweils eine optimale Strategie gesucht wird. Egal, ob sie existiert, man hält es für eine Frage persönlicher Intelligenz, sie zu finden. Denn zu finden, wo nichts ist, ist durchaus auch ein akademisches Erfolgserlebnis. Daraus ergibt sich die unangenehme Folge von Selbstkritik, die Verunsicherung. Sie spüren wir, während wir positive Ergebnisse der Kritik als selbstverständlich abhaken.

Systemtheoretiker meinen, ein System diene dazu, Komplexität zu reduzieren. Hier geht es darum, darauf hinzuweisen, dass hier Komplexität vorhanden ist, von der man sich nicht träumen lässt. Sie ein Stück weit aufzufächern und ihre meist verblüffende Harmlosigkeit kennen zu lernen, verschafft Erleichterung. Wer im Hörsaal sitzt, erträgt die Komplexität der Situation, in der er sich meist befindet, mit einer gewissen Lässigkeit, wenn er über eine distanzierende Außensicht verfügt. Für jedes Fach und seine Themen gibt es Schachteln. So mancher Begriff kennt Gegenbegriffe oder gehört zu Familien, die, wenn man sie sich vergegenwärtigt, eine äußere Distanzierung und eine innere innerhalb des Faches erlauben.

Die akademische Umwelt des Einzelnen ist dann die alltägliche Bewährungssituation, in diesem doppelten Sinne. "Sich organisieren", was Zeit und Aufmerksamkeit verlangt und "ausgeschlafen", wie es so schön heißt, die Lernbereitschaft hoch halten. Es gilt dabei zu beachten, dass nicht so selten Mini-Frustrationen sich bemerkbar machen, die sich einstellen, wenn das Budenproblem ein hartnäckiges Problem wird oder das Verstehen in der Vorlesung nicht so einwandfrei funktioniert. Wenn es immer wieder abgebremst wird und sich das Gefühl einstellt, die folgende Passage würde einem auch entgleiten. Man benötigt da Taktiken des Trouble Shooting. Man kann sich ein Schlüsselwort notieren und nach der Stunde einen Kommilitonen fragen, um die Mitschrift zu ergänzen. In diesen wackligen Grenzsituationen entscheidet sich schon einmal, wie man sich zu einer Vorlesung stellen soll. Bei der Budensuche gibt es wirklich kein Patentrezept. Hartnäckigkeit und Glück, das sagt sich so leicht. Eine Annonce zieht manchmal schon: "Suche Zimmer nur in gutem Haus" hat sich schon mal als kleiner Psychodreh bewährt.

Allgemeinbildung in der Akademischen Welt

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