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10. RIGAN CLUB - DER ANFANG

Zu der bereits vorher erwähnten Residenzpflicht war im 1. Ausbildungsjahr nur der Ausgang bis Mitternacht erlaubt.

Das hieß, wir hatten nach Dienstende um 16.00 Uhr Freizeit bis Mitternacht. Ab 24.00 Uhr war Sperrstunde und wir waren per Dienstanweisung verpflichtet, uns zwingend wieder in den Zimmern der Unterkunft zu befinden. Dies wurde in gewissenhafter Art und Weise durch einen „Wachhabenden vom Dienst“, dem „WvD“, einem Angehörigen des Stammpersonals, schriftlich nach einem Kontrollgang protokolliert.

Um die knapp bemessene Zeit sinnvoll zu nutzen und die nähere Umgebung des Ausbildungsstandortes kennen zu lernen, ging ich mit Willi und dem mittlerweile kennengelernten und wahnsinnig netten Kollegen aus dem „schönsten Dorf Bayerns“, Anger bei Bad Reichenhall, Manfred Derringer, sofort nach Dienstende auf „Erkundungsgang“.

Manfred war ein aktiver Ringkampfsportler und ein riesiger Fan des damaligen Weltklasseringers Wilfried Dietrich, dem „Kran“.

Wir entdeckten in unmittelbarer Nähe des John-F.-Kennedy-Platzes mehrere Einkaufsmöglichkeiten, ein Kino, einen wunderschönen Biergarten, einige Restaurants und eine Diskothek mit Namen „Rigan Club“! Wir beschlossen, dieses Lokal noch am gleichen Abend aufzusuchen und bereuten es nicht.

Diese Disko war der Wahnsinn!!

Hallo, wir befanden uns in Dachau bei München, eigentlich einem Vorort davon, die liebenswürdigen Dachauer Einwohner mögen es dem Münchner Schnösel verzeihen. Tolle

Musik, schöne Frauen, günstige Preise und vielleicht fünfhundert Meter von unserem dienstlichen „Wohnort“ entfernt!

Das vermeintliche Paradies auf Erden!

Im Verlauf unseres ersten Einsatzes gleich Live-Musik! Der „Rigan Clan“! Eine Rock`n`Roll Band der Superlative. Der Sänger, Richard Rigan, konnte ohne Probleme stimmlich als auch vom Aussehen her als Double von Elvis Presley durchgehen. Das Lokal proppenvoll und wir nach kurzer Zeit auch.

Die Hemmungen fielen und Manfred aus Anger tanzte mit einem hölzernen Barhocker so heftig „Boogie“, dass es den Geschäftsführer, einem unheimlich netten und gutaussehenden Italiener mit Namen „Nicola“, auf den Plan rief. Mit seiner ruhigen, souveränen Art, geschuldet wahrscheinlich auch der langjährigen Erfahrung aus dem Nachtgeschäft, brachte er Manfred dazu, seine hölzerne Freundin wieder an den Ort des Kennenlernens zurück zu stellen und seine Begeisterung anderweitig auszudrücken.

Manfred, wie erwähnt ein Ringkampfsportler, erklärte uns, dass dieser Geschäftsführer jetzt gerade sehr großes Glück hatte, dass er so freundlich zu ihm war. Ansonsten wäre er durch einen „Souples“ (Ausdruck für einen gefährlichen Ringergriff, ich glaube ein „Ausheber“) von ihm zu Boden gezwungen worden! Originalton: „Deen hädd i owedruggt am Bodn, so schnell hädd der gor ned schaun kenna!“

Nach einigen Sekunden waren diese Gedanken aber nur noch Schall und Rauch und Manfred vergnügte sich mit einer etwas beleibteren Brünetten, in deren Richtung er sich mit zuckenden Bewegungen getanzt hatte.

Seine Auswahlkriterien der Damenwelt gegenüber waren überschaubar und nicht besonders wählerisch. Sie musste „a Hoiz vor der Hüttn“, ein gewisses „Eigengewicht“ und das Wichtigste: einen „frischen Speck“ im Kühlschrank haben.

Unter diesen Voraussetzungen war Manfred Derringer zu allen Schandtaten bereit.

Da Geschäftsführer Nicola uns drei Burschen noch nie gesehen hatte, fragte er bei Willi und mir natürlich nach. Wir sagten stolz und redselig ob des genossenen Alkohols, dass wir erst seit Kurzem in Dachau und Polizeibeamte in Ausbildung aus der nahegelegenen Kaserne wären. Irgendwie hatte es da schon „Klick“ gemacht zwischen uns und dem Nicola. Man konnte die gegenseitige Sympathie von Beginn an spüren.

Aufgrund der vorgegebenen Sperrstunde mussten wir unsere zukünftige Stammdisko gegen 23.45 Uhr verlassen. Über den Status „Stammdisko“ waren wir uns nach der kurzen Zeit schon zu hundert Prozent sicher und hatten vor, hier bald wieder zu erscheinen.

Dieses „bald“ war logischerweise gleich am nächsten Tag. Sofort nach Dienstschluss absolvierten Willi und ich einen kurzen Vorbereitungsschlaf. Gegen 20.00 Uhr zogen wir wieder los. Herr Derringer sah sich aufgrund der vorangegangenen Nacht diesmal nicht dazu in der Lage. Er zog es vor, aufgrund muskulärer Probleme vom Tanzen, sich vom Bett aus den damals noch nicht so zahlreich vorhandenen TV-Programmen zu widmen.

Die Disko war diesmal nicht so stark besucht und man hatte Zeit, sich mit Nicola zu unterhalten und auch das Personal etwas näher zu betrachten.

Eine Bardame namens Helga faszinierte uns total. Damals circa dreißig Jahre alt, mit langen blonden Haaren und einem unglaublichen Körperbau. Einfach ein engelsgleiches Wesen! Naheliegend, dass wir bei ihr an der Bar unser Zelt aufschlugen. Wir hatten einen tollen aber viel zu kurzen Abend. Nicola machte uns den Vorschlag, im Lokal als „Türsteher“ tätig zu sein. Nach seiner Aussage hätte er größtes Vertrauen in einen Polizeibeamten und er wäre ideal für diesen, nicht gerade einfachen Job. Er könnte aber kein Gehalt bezahlen, sondern nur kostenlose Getränke für den jeweiligen Arbeitsabend anbieten. Willi war sofort dabei und seine Begeisterung kannte keine Grenzen. Bei mir war es aufgrund meiner erst siebzehn Lenze etwas ganz anderes. Ich konnte Nicolas Vorschlag vor meinem achtzehnten Geburtstag im September nicht annehmen, sicherte ihm aber zu, bis dahin ein treuer Stammgast zu sein und Willi bei seiner Tätigkeit zu unterstützen. Zusätzlich würden wir die Disko im Kollegenkreis bekannt machen. Pünktlich um Mitternacht befanden wir uns wieder im Zimmer und schliefen, in dem Glauben alles richtig gemacht zu haben, tief und fest.

Der Anfang in dem legendären Club war gemacht, später noch mehr dazu.

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