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19. WILLI´S WELT

Die vorangegangenen Erlebnisse mussten psychologisch irgendwie „verarbeitet“ werden. Aus diesem Grund machte Willi, mittlerweile ein fantastischer Freund geworden, den Vorschlag, abends in seine Heimat Hausham zu fahren, um uns in das Nachtleben der umliegenden Gegend zu stürzen.

Er wollte mir sein gewohntes Revier, in dem er selbstverständlich der „Platzhirsch Nummer eins“ war, unbedingt präsentieren.

An einem Donnerstag ging es unmittelbar nach Dienstschluss Nachmittag um 16.00 Uhr los. Das Ziel unserer Reise war zuerst die heimische Doppelhaushälfte, wo er zusammen mit seiner sehr netten Mutter, der Kathi, wohnte.

So gegen 17.00 Uhr kamen wir an und wurden bereits von ihr erwartet. Nachdem ich vorgestellt worden war, ging es in den Keller des Anwesens.

Dort befand sich der, nach Willi`s Aussage, berühmteste Partyraum im gesamten Bereich Schliersee!

Originalton: „Dees konnst da du ned vorstelln, was da heruntn scho obganga is!!“

Mutter Kathi schüttelte nur lachend den Kopf und titulierte ihren Sohn mit dem Ausdruck: „A Sauhund bist, a varreckta!“

Ich konnte ihr damals nur beipflichten.

Nach dem obligatorischen Frischmachen waren wir bereit und zogen gut riechend in die oberbayerische Nacht. Die erste Station war für mich aber zunächst enttäuschend. Er fuhr mit mir ins „Naglbachstüberl“ in Hausham. Eine kleine alte Kneipe mit einem Billardtisch und einigen trinkfesten „Eingeborenen“. Ich sollte mir dabei nichts denken, meinte er, denn hier findet praktisch nur das „Aufwärmen“ statt.

Nach einigen Bieren mit Freunden von Willi ging die Reise weiter zum Tegernsee in das weltbekannte „Bräustüberl“. Eine schöne Gaststätte mit Biergarten direkt am Ufer. Obwohl es dort keine Musik gab, herrschte eine Stimmung unter den Gästen, die seinesgleichen suchte. Willi war dort bekannt wie ein „bunter Hund“. Trotz proppenvoller Gaststube erhielten wir, nicht zuletzt aufgrund seines Bekanntheitsgrades, unverzüglich zwei Plätze an einem großen Tisch. Jetzt hatte ich das Gefühl, in Willis Heimat angekommen zu sein. Wir tranken und aßen nach Herzenslust und hatten einen Riesenspaß mit den anderen Gästen. Wir blieben bis ungefähr 21.00 Uhr und setzten anschließend dementsprechend gut gelaunt unsere Exkursion fort.

Wir erreichten nach kurzer Zeit die „In-Disko“ des gesamten Tegernseer Tals, das „Spinnradl“.

Dieses Lokal war für mich eine Offenbarung.

Eine große Bar mit vielen hübschen Mädchen, Tanzfläche und sensationeller Musik. Hier waren wir meiner Meinung nach endgültig richtig. So stellte sich der „verwöhnte Großstädter“ einen für ihn „würdigen“ weiteren Verlauf der Nacht vor.

Unmittelbar nachdem ich mich mit Willi im Inneren befand, passierte es! Ich erhielt einen richtig heftigen „Blitzeinschlag“. Sie stand allein und ohne Begleitung an der Bar und war bis dato das hübscheste Mädchen, das ich jemals gesehen hatte. Ich näherte mich ihr langsam und konnte zu meiner großen Freude nach wenigen Minuten den ersten Kontakt knüpfen. Mein Herz raste vor Aufregung!

Ihr Name war Irmi!

Im Verlauf des Abends waren wir uns sehr sympathisch und kamen uns dadurch immer näher, was Willi aber offensichtlich nicht so gut gefiel. Anscheinend hatte er das Mädchen schon selbst längere Zeit, bis dato aber offensichtlich erfolglos, im Auge gehabt. Zumindest machte es auf mich so den Eindruck.

Immer wieder kam er zu uns, gähnte und sagte, dass es heute eigentlich langweilig wäre und wir ja morgen wieder ganz früh raus müssen bla bla bla bla und Dienst haben bla bla bla bla und überhaupt wäre er richtig erledigt, da es ja doch ein anstrengender Arbeitstag gewesen war bla bla bla bla.

Ich sah das irgendwie im beginnenden Liebesrausch komplett anders und schlug ihm vor, nach Hause zum Partykeller zu fahren. Er könnte sich ja hinlegen und ich würde mit Irmi noch ein bisschen Konversation zu zweit machen.

Nur widerwillig stimmte er mit „aber nimmer lang“ zu und wir gingen gemeinsam zum Auto.

Ich stieg zusammen mit Irmi nach hinten auf die Rücksitzbank und wir fuhren gegen 23.45 Uhr los. Ich verdonnerte somit den, natürlich unbewusst, „Platzhirschen“ zum gemeinen Taxifahrer.

Im Verlauf der Rückfahrt fragte mich Irmi, wo ich denn eigentlich herkommen würde, da sie mich vorher noch nie gesehen hatte. Nachdem ich mich als Münchner Stadtmensch „geoutet“ hatte, lies die Zuneigung ihrerseits auf einmal etwas nach. Ich erfuhr, dass sie vor nicht allzu langer Zeit eine Romanze mit einem Großstädter hatte und dabei eine riesige Enttäuschung erleben musste.

Da ich mir aber sicher war, dass dies in meinem Fall natürlich nicht vorkommen würde, versuchte ich weiter mein Glück. Irgendwie war aber das Feuer ihrerseits ein bisschen erloschen und sie begann, plötzlich mehr in Richtung des „Taxifahrers“ zu flirten.

Bei ihm angekommen tranken wir im Keller noch eine Kleinigkeit. Anschließend schlug Willi vor, Irmi gegen 00.30 Uhr nach Hause in das zwei Kilometer entfernte Heimatdorf zu fahren. Wir tauschten, trotz der momentan herrschenden Unterkühlung ihrerseits, Telefonnummern aus und verabredeten uns für die nächsten Tage. Ich war davon überzeugt, einen positiven Eindruck von mir und meiner Heimatstadt München hinterlassen zu haben. Ich fand das Mädchen einfach grandios und war schon ganz schön verliebt.

Doch es kam alles ganz anders!

„Platzhirsch“ Willi und Irmi fuhren also los und ich blieb im Partykeller allein zurück. Er sagte, dass es nicht lange dauern würde und er gleich wieder hier wäre. Da saß ich nun, träumte schon von einer tollen Beziehung mit „meiner“ Irmi und richtete in Gedanken bereits unsere erste gemeinsame Wohnung, natürlich in München, Ortsteil Berg-am-Laim, ein.

Doch was war mit Willi?

Es verging eine halbe Stunde, Willi kam nicht! Es verging eine Stunde, Willi kam nicht! Es vergingen zwei Stunden, Willi kam nicht!

Nach drei Stunden tauchte er völlig aufgebracht im Keller auf und erklärte hektisch, dass es mit dem Vater von Irmi ganz „brutalen“ Ärger gegeben hatte. Sie war nämlich erst siebzehn Jahre alt und hätte allerspätestens um 24.00 Uhr zuhause sein müssen. Willi konnte im Verlauf der Stunden unter, wie er es ausdrückte, „Einsatz seines Lebens“, handgreifliche Übergriffe des renitenten und angeblich als Schläger im ganzen Landkreis bekannten Vaters gerade noch verhindern und ihn von seinem Vorhaben im Lauf der Zeit abbringen.

Ich war ihm über alle Massen dankbar und sehr stolz auf ihn, dass er meine zukünftige Lebensgefährtin, da war ich mir sicher, gerettet hatte. Gegen 05.30 Uhr schliefen wir dann beide auf den Matratzen im Keller friedlich ein.

Was für ein Held, was für ein Freund!!!

Der Schlaf war dementsprechend kurz und gegen 07.30 Uhr erfolgte völlig übermüdet die Abfahrt in Richtung Dachau.

Immer noch an meine Irmi denkend, stieg ich ins Auto von Willi.

Doch was musste ich da im Fußraum des Beifahrers feststellen???

Dort lagen, die Sachen waren vorher im Verlauf der Heimfahrt mit Sicherheit nicht da gewesen, ein BH, eine schwarze Damenstrumpfhose und ein zerrissenes Unterhöschen. Diese Kleidungsstücke konnten definitiv nicht von seiner Mutter stammen!!!

Ich nahm alle in die Hand, zeigte sie Willi und schaute ihn vorwurfsvoll fragend an. Wir wussten natürlich nach unserem Blickkontakt sofort Bescheid und bekamen beide einen Lachanfall, der sich gewaschen hatte. Nun erst rückte Freund Willi mit der Wahrheit heraus!

Irmi war nicht siebzehn Jahre, sondern bereits sechsundzwanzig Lenze alt und es hatte natürlich keinen Ärger mit ihrem Vater gegeben. Dieser war auch selbstverständlich kein bekannter Schläger gewesen. Willi war halt nur der „Verpflichtung“ als örtlicher „Platzhirsch Nummer eins“ körperlich korrekt nachgekommen. Er beschloss, von mir ertappt, die ganze Angelegenheit lapidar mit den Worten: „Reg di ned auf, die wär eh nix für di gwesen, vui z oid!“

Ich konnte Willi einfach nicht wirklich böse sein und hakte die ganze Geschichte mental einfach ab. Er hatte ja schon auch irgendwie Recht. Es konnte mit mir, dem Jüngling aus München, bestimmt nicht gutgehen. Aber eine Schönheit war sie trotzdem und ich dachte noch oft an sie zurück. Gesehen habe ich sie aber im Nachhinein nie mehr wieder. Den Willi hat sie anschließend auch nicht mehr interessiert.

So was aber auch!

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