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Оглавление16. DIE SACHE MIT DEM AUTOREIFEN
Dienstschluss 16.00 Uhr, Abendessen großer Speisesaal.
Danach kurz hingelegt und die Frage was bei dem schönen Wetter abgeht.
Es wurde ein unverzügliches Ausrücken in den Biergarten auf dem Dachauer Schlossberg!!!
Unterwegs mit Kollegen Ruppert Fürst, einem charmanten, mit allen Wassern gewaschenen „Frauenversteher“ mit dichtem Oberlippenbart aus dem Landkreis Weilheim. Unterwegs mit seinem getunten, orangefarbenen BMW 2002 tii. Mit zweihundert ungezügelten Pferdestärken rauf auf den Berg, hinein in den dortigen Biergarten und sofort zwei hübsche Mädchen aus dem Dachauer Innenstadtbereich kennengelernt.
Besser kann man nicht in den Abend starten.
Da wir mit den Örtlichkeiten noch nicht so vertraut waren, der Rigan Club mal ausgenommen, schleppten uns die Mädchen nach dem tadellosen Biergartenbesuch in eine dunkle Bar mit dem Namen „Rauchfang“. Aufgrund ihres tollen Aussehens bedurfte es keiner großen Überredungskünste und wir nahmen dieses Angebot natürlich sehr gerne bereitwillig an.
Stolz saß man nun bei Kerzenschein an einem Tisch in der Bar und vergaß im beginnenden „Liebesrausch“ die Zeit. Kurz vor Mitternacht machte ich Ruppert darauf aufmerksam, dass wir auf dem besten Weg waren, unsere mitternächtliche Sperrstunde um 24.00 Uhr zu überschreiten.
Er erwiderte, dass das heute eine Ausnahme wäre, er schon einen todsicheren Plan hätte und zur weiteren Ausführung eine Telefonzelle benötigte.
Die Mädchen wussten einen diesbezüglichen Standort und wir machten uns sofort auf den Weg.
Ruppert übernahm, nachdem er zwei 10-Pfennig-Stücke (wir hatten in der Grundausbildung die Anweisung erhalten, immer diese zwei Zehnerl für telefonische Notfälle dabei zu haben. Mobiltelefone gab es damals nur bei „Raumschiff Enterprise“!) in den Telefonautomaten geworfen hatte, die Gesprächsführung. Er teilte dem Wachhabenden in einer schauspielerischen Glanzleistung aufgeregt mit, dass er mit seinem Auto, zusammen mit mir als Beifahrer, eine Reifenpanne hätte. Es wäre daher unmöglich, pünktlich um Mitternacht in der Kaserne zu sein.
Der Wachhabende wies ihn an, den kaputten Reifen schleunigst zu wechseln, um dann unverzüglich in die Kaserne zurück zu kehren. Ruppert meinte noch, dass das Wechseln bestimmt seine Zeit dauern würde und beendete sichtlich zufrieden mit erhobenem Daumen das nächtliche Telefongespräch.
Mit diesem „Freibrief“ gingen wir wieder zurück in die Bar und wurden von den Damen liebevoll und freudig empfangen.
Auf dem Weg dorthin sagte Ruppert: „Ois koa Problem, im Kofferraum is a oida kaputter Roaffa vom letztn Jahr“.
Gegen 03.00 Uhr trennten wir uns nur widerwillig aufgrund der Lokalschließung von den sehr sympathischen Damen und begaben uns auf den Nachhauseweg. Auf dem Parkplatz bei unserer 21. Hundertschaft angekommen, machten wir unsere Hände noch schnell an den Innenseiten der Kotflügel dreckig. Mit richtig schmutzigen Händen und Ausdrücken wie „Scheiß Schrauben“, „alles verrostet“, „so eine Drecksarbeit“, „blöder Wagenheber“, „blöde Dunkelheit“, ging es lautstark schimpfend in Richtung Aufenthaltsraum des Wachhabenden. Dieser hatte uns bereits erwartet und forderte nun Ruppert auf, ihm den kaputten Reifen zu zeigen.
Rupperts Gesicht werde ich nach dem Öffnen des Kofferraums niemals vergessen. Der Ersatzreifen lag in perfekt neuem Zustand in seiner Mulde und freute sich, noch niemals montiert worden zu sein.
Der Wachhabende lächelte uns ganz komisch an, sagte aber außer „aha, das ist ja jetzt mal wirklich interessant“ nicht viel, sondern verwies auf das Antreten zum kommenden Morgenappell.
Ruppert und ich waren fix und fertig. Wie konnte ihm, dem erfahrenen Schlawiner, so ein Missgeschick passieren, einfach unerklärlich!!!!
Er meinte daraufhin völlig verstört: „Ja dann hob I den Roaffa as letze Moi doch gwechselt, des gibt’s ja gar ned, wia ko ma a nur so vergesslich und deppert sei!
Ein paar Stunden später, standen wir als Lügner ertappte „Polizei-Jungspunde“ im Zugverband und warteten angespannt auf die Morgenansprache.
Unser Kompaniechef, Erster Polizeihauptkommissar Sattler, mittlerweile hatte er den Spitznamen der „Pa“, erklärte ganz kurz den ihm zugetragenen nächtlichen Vorfall und belegte Ruppert und mich mit einem 6-wöchigen Fahrverbot für Privatfahrzeuge im Kasernengelände. Nach der Anreise mussten nun unsere Autos für diesen Zeitraum außerhalb der Kaserne geparkt werden. Wie bereits eingangs erwähnt, befand sich unsere Unterkunft zwei Kilometer vom Eingangs- bzw. Zufahrtstor entfernt. Der „Pa“ warnte die anderen Kollegen eindringlich davor, uns in ihren Autos mitzunehmen. Sollte dies passieren und er die Mitteilung darüber erhalten, so würde die gleiche Strafe für den betreffenden Fahrzeugführer verhängt werden. Weiterhin wurde Dienst ohne Bezahlung an zwei Wochenenden angeordnet.
Ja, dass traf uns bis ins Mark! Schöner Schlamassel!
Ruppert und ich hielten die nächsten Wochen tapfer durch, parkten vor der Kaserne und marschierten brav zu Fuß zur Unterkunft.
Bis auf einen Sonntag, Ortszeit 21.30 Uhr.
Zufällig trafen wir gleichzeitig vor der Kaserne ein. Unmittelbar darauf näherte sich Manfred Derringer mit seinem alten VW Käfer hupend der Einfahrt. Im Fahrzeuginneren waren noch drei Kollegen, welche er zufällig vom S-Bahnhof Dachau mitgenommen hatte.
Da er von unserer Bestrafung wusste, fragte er mitleidig, ob er uns „arme“ Fußgänger mitnehmen soll. In Anbetracht dessen, dass es Sonntag war und die Vorgesetzten erst Montag wieder den Dienst aufnahmen, stimmten wir ihm selbstverständlich erleichtert zu.
Da kein Platz im Innenraum mehr war, bot er uns an, auf die hintere Stoßstange zu steigen. Zur eigenen Sicherheit sollten wir uns an seinem am Heck montierten Skiträger festhalten.
Wir sahen uns beide an und fingen schallend an zu Lachen. „Warum eigentlich nicht“ war die Devise, es ist ja eh Sonntag und es wird bestimmt ein Riesenspaß. Außerdem waren wir ja nicht, wie der „Pa“ verboten hatte, „im“ Auto unterwegs, sondern hinten drauf und das war ja wohl ein Riesenunterschied.
Wir „stiegen“ gut gelaunt auf und „ritten“ mit dem VW Käfer wie im Film durch das nächtliche Kasernengelände. In unserer gemeinsamen Euphorie vergaßen wir komplett, dass sich zur Nachtzeit im Areal der sogenannte „BvD“, ein Beamter des gehobenen Dienstes, aufhielt und Kontrollfahrten innerhalb des Geländes durchführte.
Nach gefühlt gefahrenen dreihundert Metern passierte das eigentlich Unvorstellbare.
Ruppert und ich konnten es kaum glauben! Wir waren fassungslos und wurden kreidebleich.
In der Einfahrt eines Lehrgebäudes parkte der BvD mit seinem uniformierten Dienstfahrzeug. Im Vorbeifahren sah er uns mit großen Augen an und leitete unverzüglich, ob des skurrilen Szenarios, unsere „Verfolgung“ ein. Kurze Zeit später wurden wir von ihm angehalten und aus dem Verkehr gezogen.
Nach schriftlicher Feststellung der Personalien aller Beteiligten, einer intensiven Belehrung über die Gefahren unseres Verhaltens und dem Hinweis auf die Meldung an den Hundertschaftsführer Sattler, wurden wir aus seinen „Fängen“ entlassen. Manfred und die restlichen Insassen durften noch mit dem Auto weiterfahren, Ruppert und ich setzten unseren Weg zwangsweise wieder zu Fuß fort.
Montag, 07.00 Uhr früh, Vorplatz der 21. Hundertschaft, Morgenappell!
Der „Pa“ nahm den Vorfall gleich als erstes in seine morgendliche Ansprache, las die Namen der beteiligten „Sünder“ laut vor, schaute uns eindringlich an, erhöhte mild lächelnd unser Fahrverbot von sechs Wochen auf zehn Wochen und verdoppelte zusätzlich noch den Dienst ohne Bezahlung. Mein Gott, es war einfach nicht zu glauben, kann man Pech haben!!!
Die anderen vier, also der Derringer und seine drei Mitfahrer erhielten die Mindestbestrafung mit sechs Wochen Fahrverbot. Das hat sich mal richtig rentiert.
Aber ein Riesenspaß war es trotzdem!