Читать книгу Blaulichtgschichten - Gerhard Gruber - Страница 20
Оглавление14. POLIZEIFÜHRERSCHEIN DER KLASSE III
Für mich und eine Handvoll Kollegen begann nun ein wichtiger Abschnitt, die Führerscheinausbildung.
Ich freute mich sehr darauf, da ich es leid war, die meiste Zeit mit der S-Bahn zu fahren.
Glücklicherweise wohnte Kollege Robert Keimhuber in der Nähe meines Wohnortes in München. Ich wurde ab und zu am Sonntagabend von ihm mit seinem roten Ford Capri abgeholt und in die Kaserne mitgenommen. So ersparte ich mir die für mich so nervige S-Bahn-Fahrerei.
Robert war und ist es bis heute noch, ein sehr netter Kerl und hochintelligent. Der war so gut, dass er bereits nach kurzer Zeit unsere Ausbildungshundertschaft verließ und direkt nach Fürstenfeldbruck in die Polizeischule für den gehobenen Polizeidienst wechseln durfte. Er machte anschließend richtig Karriere und ist derzeit einer der höchsten Polizisten in ganz Bayern.
Wir durften auf Staatskosten in einem vierwöchigen Polizeikurs das Autofahren erlernen.
Das Objekt der Begierde war ein altes, dunkelgrünes Polizei-Fahrzeug der Marke VW Variant 1600 mit einer 4-Gang-Schaltung, deren Schaltwege mit dem Rühren eines Kochlöffels in einer großen Schüssel vergleichbar waren. Aber egal, Hauptsache er war sicher und zum Lernen hat es für uns vollkommen gereicht.
Zitat von Karl Valentin, dem bekannten bayerischen Humoristen: “Mein Vater hatte mir zu Weihnachten eine Gitarre geschenkt. Nachdem ich ihm sagte, dass sie keine Saiten hat, also nicht einmal eine, meinte er nur das es stimmt, aber zum Üben würde sie für mich leicht genügen!“
Der Unterricht teilte sich in Theorie am Vormittag und dem Fahren am Nachmittag auf. Kollege Ralf Gretschnik, ein 190 cm großer und dabei 100 kg schwerer blonder Hüne aus dem Berchtesgadener Land mit reinem, hochdeutschem Dialekt und “leicht“ cholerischem Verhalten, war mein auszubildender Fahranfängerpartner.
Ralf brachte unseren Fahrlehrer, Polizeihauptmeister Plötz und mich, zu diversen angstbedingten Schweißausbrüchen. Beim Fahren schaute er jedes Mal während des Schaltvorganges dem Kochlöffel, Entschuldigung, Schalthebel nach, um auch sicher zu sein, dass er den Gang korrekt eingelegt hatte. Gleichzeitig zog er dabei das Fahrzeug nach links auf die Gegenspur.
Der routinierte Fahrlehrer musste einige Male beherzt ins Lenkrad greifen, um Schlimmeres zu verhindern. Ralf war darüber nicht im Geringsten erfreut und rechtfertigte sich jedes Mal vehement, alles im Griff zu haben. Ein Eingreifen seitens des Fahrlehrers und andere Einmischungen in seinen Fahrstil hielt er für absolut überflüssig und despektierlich.
Ein Drama war es für Ralf, zugegebenermaßen wirklich schwierig, am Dachauer Schlossberg rückwärts bergauf einzuparken.
Das Diensthemd verfärbte sich aufgrund der Schweißbildung von hellblau nach dunkelblau, die Gesichtsfarbe veränderte sich in Richtung gekochter Hummer. Nach mehreren Fehlversuchen war es dann so weit und das von ihm so benannte „Dreckstück“ von „Bullenauto“ musste auch dran glauben. Ralf stieg aus und verpasste ihm einige Fußtritte, um deutlich zu machen, dass es jetzt ausnahmslos zu funktionieren hätte.
Ein Schaden ist an dem unschuldigen Fahrzeug erfreulicher Weise nicht entstanden und Ralf bewerkstelligte die Aufgabe nach gutem Zureden des Fahrlehrers doch noch zur Zufriedenheit aller.
Was sich die Dachauer Staatsbürger, welche Ralfs „erzieherischen Maßnahmen“ hautnah miterlebten, dachten, ist bis heute nicht überliefert.
Der vormittägliche Theorieunterricht hatte aber auch seine Opfer. Hinter mir saß Günter Breidinger. Günter, ein aktiver Boxer, etwa 190 cm groß und Brillenträger mit einem beeindruckenden Humor, dessen Vater auch als Polizeibeamter beim Polizeipräsidium München Dienst verrichtete. An jenem Morgen war er wohl vom vorabendlichen Training oder aus anderen Gründen noch völlig erledigt.
Er schlief während des Unterrichts ein wie ein kleines zartes Lämmchen. Das Köpfchen wurde immer schwerer und schwerer und plötzlich zollte es der Schwerkraft Tribut. Mit einem lauten Knall donnerte er damit gegen die Kante seiner Unterrichtsbank. Als Folge davon eine Platzwunde an der Stirn und die Brille völlig zerstört. Beide Gläser sahen aus wie kleine Spinnennetze.
Nach einem Besuch in der Krankenabteilung erschien er nach einer halben Stunde frisch genäht und mit Ersatzbrille wieder und erklärte, dass ihn solche Kleinigkeiten bestimmt nicht aus der Bahn werfen würden.
„Das Herz eines Boxers muss alles vergessen, sonst schlägt ihn der Nächste K.O.“ (Max Schmeling, Deutscher Boxweltmeister, Textzeile aus seinem Lied von 1930).
So weit so gut, nach vier Wochen mit Höhen und Tiefen in Theorie und Praxis wurden die jeweiligen abschließenden Prüfungen von uns Teilnehmern ausnahmslos erfolgreich abgelegt und so zu stolzen Inhabern des Polizeiführerscheins der Klasse III mit der Berechtigung Dienst-Pkw zu führen. Dieser musste beim zuständigen Landratsamt noch zusätzlich in einen Privatführerschein umgeschrieben werden. Ich war nun achtzehnjährig im Besitz eines grünen sowie eines grauen Führerscheins und es begann für mich mit großer Freude die Zeit als unabhängiger Autofahrer.
Die Kollegen, die vorher schon im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis waren, wurden lediglich in der Handhabung der Dienst-Kraftfahrzeuge eingewiesen und überprüft.
Von meinem Vater hatte ich damals seinen ausgemusterten weißen VW Käfer 1300 mit schwarzem Kunstlederinterieur als Geschenk bekommen. Eine 40 PS-Bombe mit über 100000 km aber für mich als Fahranfänger mehr als genug.
Mein erstes Autokennzeichen lautete, das vergesse ich auch niemals, DAH-N 229. Ich war so richtig stolz!!