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21. KRANKENABTEILUNG

Die Zeit im „Revier“ war die Beste der gesamten Ausbildung. Wie bereits erwähnt ein toller Arzt, Dr. med. Krocker, zwei hübsche Krankenschwestern, Schwester Renate und Schwester Helga sowie zwei sehr entspannte ältere Beamte des mittleren Polizeidienstes als Sanitätsbeamte. Polizeihauptmeister Kandert und Polizeiobermeister Mechow. Insgesamt ein wunderbares Betriebsklima zwischen entspannten Mitarbeitern. Wobei mich der ältere der beiden Sanitätsbeamten und großer Fußballfan, leider vom 1.FC Nürnberg, Polizeihauptmeister Kandert, aufgrund meiner fußballerischen Vorgeschichte beim FC Bayern München irgendwie ins Herz geschlossen hatte. Dies sollte mir einige Wochen später noch sehr helfen.

Nach wenigen Tagen waren Kollege Hafft und ich in die Materie erfolgreich eingewiesen und bekamen dafür eine Auszeichnung in Form einer wunderbaren Urkunde.

Wir hatten unter anderem gelernt, die verschiedensten medizinischen Geräte zu bedienen, schwierige Verbände anzulegen und zu wechseln sowie erkrankte Kollegen, welche stationär im Revier untergebracht waren, außerhalb der normalen Dienstzeiten zu betreuen.

Der Dienst lief parallel zur 4-wöchigen Wachperiode. Horst und ich durften diesen selbst unter uns regeln. Hauptsache es war jeden Tag einer von uns zur Unterstützung des Stammpersonals da. Zur Nachtzeit, die begann ab 16.00 Uhr, hielten wir uns jeweils, außer wir hatten „Kunden“, alleine im Gebäude auf.

Für unseren Aufenthalt gab es ein urgemütlich eingerichtetes Appartement. Küche, Dusche mit WC und wichtig, ein Fernseher, waren unter dem Dach des Hauses vorhanden. Zusätzlich befand sich ein großes Panoramafenster. Von dem Fenster aus konnte man zum unten befindlichen Haupteingang herunterschauen.

Die nächsten Wochen gestalteten sich mehr oder weniger ereignislos. Wir verrichteten unseren Dienst im Krankenrevier, wurden immer routinierter und unterstützten die Behandlung erkrankter Kollegen. Anschließend wechselten wir nach vier Wochen in den Lernmodus bei der Hundertschaft zurück. Dort absolvierten wir weiterhin Klausuren in den Fächern Staatsbürgerkunde, Polizeirecht, Verkehrsrecht, Strafrecht usw. um nach weiteren vier Wochen wieder im Krankenrevier tätig zu werden.

Im Grunde war die Dienstverrichtung zwar verantwortungsvoll aber relativ unspektakulär. Da konnte es schon mal vorkommen, dass sich eine gewisse Öde breit machte. Für diesen Fall gab es glücklicherweise ein geheimes Sanitätsschränkchen mit diversen alkoholischen Getränken, insbesondere hochprozentigem Whiskey. Da das Fernsehprogramm nicht gerade erquickend war und man nicht an Vereinsamung sterben wollte, nahm man hin und wieder Kontakt mit der Unterkunftstreife auf und lud diese auf ein nächtliches „Brainstorming“ mit Flüssigkeit ein.

In einem Fall fanden sich die fußstreifenden Kollegen Siedend und Manzenmüller, also „Pilz“ und „Herkules“ gegen 23.00 Uhr auf Anforderung ein.

Da beide durch die nächtlichen Fußmärsche „extrem geschwächt“ waren, sie gingen bereits seit 20.00 Uhr ohne Pause, bot ich zur Stärkung ein Fläschchen „Racke Rauchzart“ an. Es handelte sich hier um einen Whiskey der besonderen Güte mit geschmeidigen siebzig Prozent Alkoholgehalt. Da rollten sich sämtliche Fußnägel auf, aber mit Coca-Cola einigermaßen genießbar.

Nach kurzer Zeit hatten sich die Streife und ich in absolute Hochstimmung getrunken. Die Gespräche im Einzelnen sind mir nicht mehr erinnerlich, aber sie waren vermutlich von äußerster Wichtigkeit.

Nach einigen Stunden war es dann aber so weit, die Spontanparty aufzulösen. Die Fußstreife musste zum Streifenwechsel. Das Kontingent an „Racke Rauchzart“ war komplett aufgebraucht.

Kurz bevor sie gegen 03.00 Uhr gehen wollten, begab sich Kollege Siedend auf einmal zum geöffneten Fenster meines Appartements. Er zuckte beim Hinausschauen ganz komisch und war danach plötzlich leichenblass.

Offensichtlich hatte er den „guten Tropfen“ nicht vertragen. Der arme Kerl war meiner Meinung nach, dringend behandlungsbedürftig. Nach einer kreislaufstärkenden Maßnahme in Form von einer schnellen Tasse mit schwarzem Kaffee, konnte „Herkules“ den schwankenden „Pilz“ einigermaßen sicher aus dem Gebäude der Krankenabteilung und zur Ablösung verbringen.

Kollege Siedend stammelte noch verwaschen irgendwas von „der schönste Abend seit langem“ und „des mias ma boid wieda macha“. Arm in Arm verschwanden „Pilz“ und „Herkules“ in die dunkle Nacht.

Ob es aufgrund seines Zustandes irgendwelche dienstlichen Repressalien gab, ist mir nicht mehr erinnerlich. Ich glaube aber, dass die restlichen Kollegen ihn gut vor den Vorgesetzten versteckt hatten.

Da der Sanitätsdienst um 07.30 Uhr mit dem gesamten Personal weiterging, war es natürlich selbstverständlich, den Ort des Geschehens aufzuräumen und „klar Schiff“ zu machen. Den Müll der Veranstaltung brachte ich nach draußen zur Tonne.

Beim Zurückgehen erstarrte ich zur Salzsäule.

Ich erkannte dabei den Grund und die Folgen von Wolfgang Siedends vorherigen Zuckungen. Mit einem Schlag stellte sich bei mir Nüchternheit ein.

Er hatte seinen Mageninhalt an der Hauswand, beginnend von meinem Fenster bis ganz runter zur Eingangstür, gleichmäßig verteilt. Dieser Zustand konnte auf keinen Fall so belassen werden. Ich erinnerte mich, dass sich im Keller zwei alte Besen befanden. Nachdem ich die

Dinger gefunden hatte, „verband“ ich sie mit Leukoplast zu einer Gesamteinheit. Ich bewaffnete mich zusätzlich mit einem Eimer. Diesen befüllt mit Wasser und Desinfektionsmittel, begann ich gegen 03.30 Uhr die Hauswand zu schrubben.

Die Aktion dauerte bis 04.30 Uhr. Ziemlich geschafft aber hoch zufrieden mit dem Ergebnis war an Schlaf nicht mehr zu denken.

Die Ablösung durch Kollegen Hafft erfolgte gegen 06.30 Uhr. Dieser wurde von mir natürlich über den nächtlichen Besuch informiert, da das Sanitätsschränkchen diverse Lücken aufwies. Die Aktion mit der Wand musste er nicht wissen. Nach dem Unterschreiben eines offiziellen Übergabeprotokolls mit den Ereignissen der Nacht, das „Brainstorming“ natürlich ausgeschlossen, entließ er mich zur wohlverdienten Bettruhe. Seinerseits noch mit dem strengen Hinweis, das Schränkchen so schnell wie möglich wieder „aufzuladen“, damit es für die kommenden Nächte wieder einsatzbereit war. Horst war in der Beziehung kein Kostverächter und brauchte seinen Schlummertrunk.

Das Schränkchen wurde am frühen Abend unter Zuhilfenahme der Bar des Rigan Clubs aufgefüllt. Freund Nicola zeigte sich der polizeilichen „Gesundheitsbehörde“ gegenüber in diesem speziellen Fall wirklich sehr spendabel.

Es wurde Dezember und Weihnachten stand vor der Tür. Willi verrichtete, oh Wunder, Fußstreife im Rahmen der Unterkunftswache mit seinen, fußtechnisch gesehen eher bescheidenen Möglichkeiten.

Wegen seiner Vorgeschichte und seines daraus resultierenden EAD-Status musste er es offiziell eigentlich gar nicht machen, aber nach intensivem „Anraten“ von „Pa“ Sattler absolvierte er auf „freiwilliger Basis“ seine Wachperioden. Er hatte ihm unmissverständlich mitgeteilt, dass Dauer-EADler durchaus aus dem Polizeidienst entfernt werden können und er sich diese „Leidensgeschichte“ nicht recht viel länger anschauen wird, tritt nicht baldigst eine Besserung ein.

Herr Sattler war ja schließlich auch nicht auf der „Prennsuppn dahergschwommen“.

Nach telefonischer Rücksprache mit seinem behandelnden Arzt, Dr. Krocker, nahm er langsam und vorsichtig die Streifengänge auf. Der Rekonvaleszent durfte sich nach Möglichkeit halt nicht überanstrengen.

Kurz vor Weihnachten passierte das Unglück! Wie es der Teufel will, rutschte ausgerechnet er während der Fußstreife in der Nacht unglücklicherweise auf einer Eisplatte aus und verdrehte sich sein ach so geschädigtes Knie. Das passte ihm aber im Nachhinein offensichtlich sehr gut, da in der Zeit zwischen Weihnachten und Silvester eine Urlaubssperre angeordnet war. Willi hoffte, diese Sperre durch den mit absoluter Sicherheit kommenden, erneuten Krankenstand zu umgehen und die anstehenden Feiertage zuhause verbringen zu können. Denn eines war klar! Gehen konnte Kollege Harritz jetzt mit diesem ramponierten Knie die nächste Zeit auf keinen Fall mehr (Jetzt wird ein Geheimnis verraten: ganz so schlimm war es natürlich nicht).

Sein Partner, unser lieber Walter Backer, bestätigte dementsprechend, dass es sich dabei „eindeutig und ohne dran zu deuteln“ um einen Dienstunfall ohne Willis Verschulden gehandelt hatte. Aufgrund dieser Aussage war es gleichzeitig auch möglich, „Pa“ Sattler zu beruhigen. So war, Willis fester Überzeugung nach, ausgeschlossen, dass er ihm irgendwelche niederen Absichten unterstellen und womöglich dienstliche Steine in den weiteren Weg legen würde.

Fast zur gleichen Zeit erwischte es Manfred Derringer ganz „dramatisch“. Mit „grausamsten“ Magenschmerzen und auf die Verkostung in der Polizeikantine schimpfend, schleppte sich der Ringkampfsportler in die medizinische Abteilung. Er hatte nicht die geringste Lust, die Feiertage in Uniform zu verbringen und war sich sicher, mit dieser „Krankheit“ ebenfalls auf dem richtigen Weg zu sein. Der „schwer“ angeschlagene Willi befand sich mittlerweile auch im Wartezimmer.

Beide rechneten fest mit einer Krankschreibung um anschließend gemütlich zuhause Weihnachten und Silvester zu feiern und dienstlich nicht weiter belästigt zu werden. Da hatten sie aber leider die Rechnung ohne die Gruppenführer gemacht. Die waren auch nicht blöd und hatten beide Kameraden sehr schnell durchschaut.

Deren Intervention beim Doktor führte zu dem Ergebnis, dass beide aufgrund ihrer Erkrankungen nicht reisefähig waren. Die Folge daraus war der stationäre Aufenthalt im Medizincenter über Weihnachten und Silvester. Na sauber, der vermeintlich geniale Plan fehlgeschlagen!

Schwer getroffen zogen beide widerwillig in ihre Krankenzimmer ein. Auf mich kam die ehrenvolle Aufgabe zu, die beiden „Pflegefälle“ rund um die Uhr zu betreuen.

Da ich aufgrund meines Single-Daseins keine Festivitäten geplant hatte, verrichtete ich freiwillig Dienst über die Feiertage und war der zuständige Sanitäter.

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