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Niemand kann dich beleidigen.

Was auch immer jemand zu dir sagt, du allein machst daraus eine Beleidigung. Einer von Mahinas Kernsätzen zur Selbstverteidigung. Ich gestehe, ich tue mich noch etwas schwer damit.

Seit meiner Jugend habe ich diesen Zug ins Ritterliche. Der hat mir ein paar Mal buchstäblich und im übertragenen Sinn eine blutige Nase eingebracht. Er gehört nun mal zu meiner inneren Grundausstattung. Lieber dagegenhalten als mich in stiller Empörung wegducken und ärgern. Großmäulige Schulhofrabauken, später im Arbeitsleben auch Vorgesetzte, die bevorzugt an Schwächeren ihre heimlichen Unterlegenheitsgefühle ausließen, weckten in mir zuverlässig eine beherzte, wenngleich nicht immer ausreichende Schlagfertigkeit. Erst in jüngster Zeit, während meines Aufenthaltes in San Francisco, hat die sich beträchtlich verbessert.

Kurze Lagebeurteilung.

Vera Conrad lässt sich durch innerbehördlichen Hickhack oder unfeine Bemerkungen kaum erschüttern. Sie versteht es, selbst ihre Stellung zu behaupten. Auch wenn sie in ihrem bunten Sommerkleid wie eine harmlos freundliche Vorstadt-Ehefrau in den schönsten Jahren aussieht. Jetzt jedenfalls bedarf sie keines Beistands.

Anders zwei weitere Frauen. Der toten Petra bringt der Oberkommissar anscheinend keine Achtung entgegen. Das ist unschön, aber verzichtbar bei seinem missmutigen Gehabe. Sandra Aschauer dagegen derart ungezogen anzugehen, finde ich unerträglich. Angesichts der traurigen Umstände hier. Und obwohl sie sich beherrscht und höflich verhält.

Brückner verdient eine gehörige Zurechtweisung. Schneller als er ahnt bietet sich die Gelegenheit. Zumal er mit seinem dummdreisten Verhalten in meine Erwartung hineinstolpert. Die Handbewegungen meines bevorstehenden Gegenschlags nehme ich im Kopf mehrmals vorweg.

*

Jetzt hat der Oberkommissar nur mich im Blick. Seine Stimme klingt gepresst, als er die Schultern anhebt.

„Kollegin Conrad, Sie sind meine amtliche Zeugin! Diese Bodyguard-Karikatur widersetzt sich an einem Tatort der Festestellung seiner Personalien. Und Sie da fordere ich zum letzten Mal auf, ...“

Noch während er spricht, greife ich mit der rechten Hand langsam nach der linken Reißverschlussreihe meiner halb geöffneten Jacke, schiebe sie soweit seitwärts, dass ich freien Zugriff habe. Zwangsläufig wird dabei meine Pistole für Brückner sichtbar. Wie zufällig nehme ich sogleich die Hand wieder runter, ziehe lediglich den Reißverschluss drei, vier Zentimeter höher. Und atme Energie in Kopf und Bauch.

Den Spaß gönne ich mir.

Beobachte Brückners Oberkörper gewollt ein wenig unscharf, aber wacher als zuvor. Biete ihm eine letzte Chance zu Einlenken.

„Mann, bleiben Sie ruhig, Sie machen sich lächerlich.“

Dennoch spüre ich meinen Puls im Hals.

Brückner bringt seinen Satz nicht zu Ende.

Sein Unterkiefer ruckt nach vorn.

„Schusswaffe!,“ bellt er; „OK Conrad, der Mann ist bewaffnet ...“

Rechts von mir sehe ich Vera wie in einem Halbschatten die Arme vor der Brust verschränken, langsam rückwärts an der Kommode entlang ein Stück näher zu mir rutschen.

Sie klingt beinahe vergnügt, meint es wohl beschwichtigend.

„Ich weiß. Bremsen Sie sich, Brückner. Ihr Übereifer bringt uns unnötig in Gefahr.“

Wetten? Insgeheim ahnt sie, was kommt, und freut sich darauf.

Brückner will es unbedingt wissen.

Er schnappt nach Luft, richtet sich noch etwas mehr auf.

„Das hat ein Nachspiel, Kollegin. Und Sie da, dies ist eine polizeiliche Aufforderung, Mann. Heben Sie langsam beide Hände ...“

Seine unbewussten Augenbewegungen verraten längst, was in ihm vorgeht. Der Rest folgt, wie vorprogrammiert. Seine rechte Hand am vorderen Saum des Leinenjacketts schafft es nur bis zum Anfang seiner Hosentasche ...

Ratsch, klack, durchgeladen. Beide Hände im Kreuzgriff, gerade vorgestreckte Arme, kurzer Aufwärtsschwung; im letzten Augenblick nicht abdrücken, darin besteht die Kunst.

„Keine Bewegung! Hände über den Kopf! Hände hoch, dass ich sie sehen kann! Eins, ... zwei ....!“

Brückners fahles Gesicht hat schlagartig einen grünlichen Schimmer. Er fällt fast in sich zusammen, hebt die zitternden Hände.


*

„Nimm ihm die Waffe ab, Vera! Ehe er damit Dummheiten macht.“

Weibliche Stimme, mäßig scharfer Befehlston aus dem Türrahmen links neben mir.

„Endlich!,“ kräht Brückner.

Vera geht mit schnellen, kleidschwingenden Schritten um mich herum.

Brückner fallen beinahe die Augen aus dem Kopf. Sie greift nicht nach meinen Pistolenhänden. Statt dessen läuft sie, auf Abstand bedacht, in leichtem Bogen um den Schreibtisch. Ihre ausgestreckte linke Hand fährt unter sein Jackett.

„Was soll das denn?! Hey! Mir doch nicht! Dem da!“

„Halt die Klappe, Du Hampelmann. Ich habe dich gewarnt.“

Sie zieht seine Pistole aus dem Halfter und tritt seitlich zurück zur Tür.

Aus dem linken Augenwinkel sehe ich Corinna. Hellblaue Sommerjeans, stahlgraue Seidenbluse und ein leichtes, oberginfarbiges Jackett. Sie steht ruhig, etwas breitbeinig, im Türrahmen, hat einem belustigten Zug um den Mund. Und zeigt mir ihren hochgestreckten linken Daumen. Wozu sich einmischen? Wenn der Ausgang des Schauspiels vorhersehbar und zufriedenstellend ist.

Jetzt gießt sie die Sahne auf die Torte.

„Nanu? ... Hallo, Oberkommissar Brückner! ... Sie hier? Habe ich doch eben tatsächlich gedacht, mein Mann hat auf frischer Tat einen Einbrecher gestellt. Hätten Sie das für möglich gehalten?! Sie dürfen die Hände wieder runter nehmen. Wir Kollegen gehen doch stets freundlich miteinander um, nicht wahr. Gut gemacht, Schatz.“

Sie tritt neben mich und drückt mir ein flüchtiges Küsschen auf die Wange, ungelogen. Verstehen Sie jetzt, warum ich es in solchen Augenblicken immer noch herzlich schade finde, dass Corinna sich aus unserem gemeinsamen Schlafzimmer zurückgezogen hat?

„Danke, mein Drachentöter. Vera, gib mir seine Waffe.“

Ich stecke meine Pistole wieder ein. Corinna entnimmt Brückners ungeladener P 30 das Magazin und reicht mir beide Teile.

„Mein Name ist Sandner, ich bin Hauptkommissarin im K 11 in Frankfurt und arbeite wie OK Conrad in der Schwerpunktgruppe ,Prostitution’. Alles klar?,“ erklärt Corinna der guten Ordnung halber.

Brückner starrt sie mit hängendem Unterkiefer an. Bis er sich heftig atmend auf den Schreibtischstuhl wirft.

„Wie halte ich das bloß aus? Noch so eine krankhaft überemanzipierte ...“ stöhnt er halblaut vor sich hin.

Mit einer Mischung aus Verständnislosigkeit und Wut wandert sein Blick zwischen uns dreien hin- und her. Ein Signal des Einlenkens oder gar der Entschuldigung kommt nicht von ihm. Für den Fortgang der Ermittlungen verheißt das nichts Gutes. Diese Demütigung, ausgerechnet mit und vor zwei Kolleginnen und einer in seinem Augen einschlägig unmoralischen Dame, vergisst der Mann so schnell nicht.

Er holt tief Luft, starrt mich feindselig an.

„Wer ist er?“

„Ich bin Bürger der USA und Ihnen gegenüber zu keiner Auskunft verpflichtet. Wenn Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich das amerikanische Generalkonsulat in Frankfurt. Und damit das klar ist: Meine Kollegen von der Kripo San Francisco würden Beamte wie Sie nicht auf die Menschheit loslassen sondern in den Keller sperren, wo sie die Instrumente zur Verbrechensvorbeugung putzen dürften!“

Zu dick aufgetragen, aber wirkungsvoll. Brückners Augen werden riesig. Sekundenlang glotzt er mit halboffenen Mund vor sich hin.

Immerhin, er fasst sich schnell.

Brückner bleibt dickköpfig. Wobei er im Kern recht hat.

„Sie haben hier keinerlei Machtbefugnisse! In Amerika dürfen Sie von mir aus in einem Panzerwagen aufkreuzen, aber hier gilt immer noch das deutsche Waffenrecht. Wenn Sie sich obendrein an diesem halbseidenen Affentheater beteiligen, spricht das nicht für ...“

Dicker Fehler. Er stockt verwundert im Satz.

Bemerkt wohl Corinnas Gesichtsausdruck, ihre flüchtige Handbewegung. Die berührt meinen Unterarm, Zurückhaltung gebietend.

Der Mann hat bei ihr einen wunden Punkt erwischt. Und findet nichts dabei. Corinna dagegen sprühen die Funken aus den Augen – ohne hinzusehen weiß ich das. Sie springt beinahe einen Schritt auf den Schreibtisch zu.

„Sehe ich aus wie ein halbseidener Affe?!,“ schreit sie Brückner böse und laut an. „Ich warne Sie! Noch eine falsche Bemerkung, und ich sorge dafür, dass Sie in den vorgezogenen Ruhestand versetzt werden. Im besoffenen Kopf mit gezogener Waffe am Tatort rumtorkeln reicht dafür allemal, zumal in Anwesenheit mehrerer, friedlicher Zeugen.“

Brückner wird knallrot.

„Sind Sie verrückt?! Ich bin völlig nüchtern.“

„Aber nicht mehr nach der halben Flasche Whisky aus dem Wohnzimmer, die ich gleich in Ihren gehässigen Hals schütte, Sie Miesmuschel. Glauben Sie, nur ihr Macho-Bullen seid zu fiesen Tricks fähig?! Freundchen, Du wirst dich wundern, wenn Du mich kennen lernst. Was meinst Du wohl, wer in Wiesbaden den längeren Arm hat?! Nach eurer Glanzleistung in Sachen Automatenbande!“

Berkamp - Ein langer schwarzer Schatten

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