Читать книгу Berkamp - Ein langer schwarzer Schatten - Günter Billy Hollenbach - Страница 9
8 Mittwoch, 17. Juli
ОглавлениеMona ist vorgestern nach Giessen gefahren. Um besser über den Studienbeginn entscheiden zu können, ein Gefühl für die Stadt zu bekommen und Wohnmöglichkeiten zu erkunden.
Die Nahtod-Erfahrung nach dem Angriff der „Rache-Hexe“ hat Monas Vorstellungen vom Sinn ihres Lebens tiefgreifend verändert. Aus dem bisherigen Beruf als auskömmlich verdienende Labortechnikerin in einem großen Pharmabetrieb in Frankfurt-Fechenheim hat sie sich verabschiedet. Fest entschlossen, ein Studium in forensicher Psychologie und Kriminologie zu beginnen.
Allerdings schwankt sie noch, mit welchem Fach sie einsteigt. Denn damit ist eine Entscheidung über den Wohnort verbunden. Die Frankfurter Uni glänzt mit dem besseren Angebot in Psychologie. Für Gießen spricht deren guter Ruf im Fach Kriminologie. Insgeheim vertraue ich auf Monas ausgeprägten Sinn für das Alltagspraktische.
Neben der Qualität des Lehrangebots scheinen mir Mahinas Anwesenheit sowie der Vorteil eines fast kostenfreien Lebens mit uns überzeugende Gründe für einen Einstieg mit der Psychologie. Plus – die Nähe zur Arbeit ihrer Mutter liefert reichlich kriminologisches Anschauungsmaterial nebenbei.
Meine Meinung zu dem Thema behalte ich für mich.
Unabhängig von ihrer Standortentscheidung werde ich Mona beim Studium finanziell unterstützen. Wirtschaftlich geht es mir gut. Soll mein Geld unter der Null-Zins-Matratze verschimmeln? Die Möglichkeit, dass Mona verlockt wird, als verwöhnte Freizeitstudentin die Semester zu verbummeln, kann bei ihrer streng verbeamteten Kindheit und Jugend getrost vernachlässigt werden.
*
Ich vertrödele einen Teil des Nachmittags mit Notizen aus dem Gespräch mit Janina und einem unergiebigen Anruf bei der Dienststelle Oberursel. Polizeiobermeister Garster hat dienstfreie Tage.
Zwei Anläufe mit anderen Kollegen ergeben, dass keiner von ihnen weitere Mitteilungen zum Ableben des Herr Marx zu machen hat. Mit dem Hinweis, ich möge mich an die Kriminalpolizei in Bad Homburg wenden, findet das Telefonat ein schnelles Ende.
Na schön. Anruf in Bad Homburg. Nach einigem Hin und Her werde ich zu einem Oberkommissar Ludwig durchgestellt.
„Also Sie sind der, der die Dienststelle Oberursel verständigt hat, über den Tot des, warten Sie ... Herrn Marx, ist das richtig?“
„Ja, das bin ich.“
„Und weshalb rufen Sie jetzt an?“
Der Mann klingt nicht direkt abweisend, eher unbeteiligt.
Ich finde es angebracht, ihm auf die Sprünge zu helfen.
„Tja, Herr Ludwig, das ist eine Art Unart unter Kollegen.“
Er hat zwar noch nichts gesagt, aber ich wette, er hört genauer zu.
„Ich selbst bin zwar kein Bulle, aber meine Frau ist Hauptkommissarin im K 11 in Frankfurt. Die hat meinen Sinn dafür geschärft, Dingen nachzugehen, zumal mit Blick auf die Opfer. Als eine Sache des Respekts und der ordentlichen Polizeiarbeit.“
Na bitte. Schon ändert sich die Tonlage am anderen Ende der Leitung.
„K 11, meinen Sie die Kollegin Veronika Sanders ...?“
„Lassen Sie das, sie heißt Corinna Sandner,“ unterbreche ich.
„Gut, gut. Wollte nur sicher gehen. Die Frau Sandner habe ich mal auf einem Lehrgang für Vernehmungstechnik erlebt. Die Dame kann ziemlich ruppig ... Ist sie das, Ihre ...?“
„Genau die.“
„Na denn, Herr Berkamp. Gut, dass Sie sich melden. Können Sie vorbeikommen, morgen Vormittag würde passen. Wir suchen immer noch nach Angehörigen. Auch wegen der Bestattung. Und dann ist da noch etwas. Wir sind auf eine Merkwürdigkeit gestoßen: Die kann eine harmlose Erklärung haben. ... Oder auch nicht.“
„Kurze Zwischenfrage, Herr Ludwig. Gehen Sie von Selbsttötung aus?“
„Ja klar,“ kommt seine umgehende Antwort mit dem Beiklang einer Nebensächlichkeit.
„Es gibt keinerlei Hinweise auf die Beteiligung einer anderen Person. Die Wohnung war von innen abgeschlossen. Obendrein fand sich ein Abschiedsbrief, handschriftlich, der lässt wenig Zweifel.“
„Danke, das ist doch etwas. Sie erwähnten eine Merkwürdigkeit?“
„Ja, deswegen wäre es gut, wenn Sie vorbeikämen. Es gibt Bilder auf seinem Computer. Vielleicht kennen Sie einzelne Personen, als Mitbewohner des Hauses möglicherweise schon mal begegnet.“
„Gerne, Herr Ludwig. Ich komme morgen vorbei. Gegen zehn Uhr.“