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LOVERBOYLoverboy Joachim Hiller

[Columbia, 1980]

In jener kleinen süddeutschen Stadt, in der ich die ersten 21 Jahre meines Lebens verbringen musste, richtete sich die »alternative« (post-) gymnasiale Jugend vorzugsweise in einer innennstädtischen Gaststätte – im Sommer mit Biergarten – zugrunde. Alkohol floss reichlich, Kräuter wurden nicht geduldet, war der »Gesellschaftsgarten«-Wirt doch ein Ex-Bulle und, wie geraunt wurde, in dieser Hinsicht wenig tolerant. Nichtsdestotrotz stand der »Gselle« bei meinen Eltern und Großeltern im Ruf, dass sich hier nur nichtsnutziges linkes Gesocks rumtrieb – logisch, dass ihr Sohn/Enkel da nichts zu suchen hatte. Logisch, dass ich mich hier vorzugsweise rumtrieb.

Fast noch interessanter war allerdings der schmale Treppenaufgang links in der alten Villa. Schmierige alte Stufen führten hinauf in den ersten Stock des Gebäudes in ein nur freitags und samstags geöffnetes Etablissment namens »Wuwaff« (Google-Treffer für alle Schreibweisen Stand 08/2018: null). War der Aufenthalt im »Gselle« zwar geächtet, aber noch mit einem Augenzudrücken seitens der familiären Autoritäten gerade eben so akzeptabel, hörte der Spaß bei der angeblichen Drogenhölle ein Stockwerk drüber auf – beziehungsweise fing da erst an. Seit ich 16 war, zog es mich dort magisch hin, dabei warnten meinte Eltern mich doch eindringlich, mich dorthin zu wagen. Ein guter Bekannter aus deren Kirchengemeinde war Kripo-Bulle und auch mal bei der Drogenfahndung gewesen, und wenn ein Sodom und Gomorrha in dieser Stadt existierte, war es angeblich dieser kleine Diskothekenbetrieb.

Sheriff hieß der DJ und sah auch so aus, schlank, drahtig, schwarz gekleidet – ein Kleinstadt-Nick-Cave mit exquisitem Musikgeschmack, kaum älter als wir und damit uralt. Hinter der Theke Vroni, Profi-Bedienung, die uns Milchgesichtern natürlich ansah, dass wir noch längst nicht alt genug waren, um hier legal unser bisschen Taschengeld zu vertrinken – zum Besaufen reichte die Kohle nicht. Und wenn wir uns von Punkt zehn bis irgendwann nach Mitternacht hier rumdrückten, auch mal zwei D-Mark in drei Flipperspiele investierten, war eh noch nichts los. Die Musik war schon damals, Mitte der Achtziger, gut abgehangen wirkende Rockmusik, etwas Punk und Wave und auch Black Music. Tina Turner, »Nutbush City Limits«, Tuxedomoon, »No Tears«, Ram Jam, »Black Betty«, Deep Purple, »April« – so Zeug eben. Und: Loverboy! »Turn Me Lose« ist der zweite Song des titellosen Debüt-Albums der kanadischen Band, die sich 1979 im kanadischen Calgary in Alberta gegründet hatte. Sobald das Synthie-Intro der 5:37-Nummer mit dem Schlagzeug-Geticke begann, stellten sich meine Nackenhaare auf, und dann die Gitarre von Paul Dean, waaaaaaaaaaaaaahhhh!!! Was für ein Gebrate! Und dann Mike Renos Gesang, Melodie und Geschrei und etwas Soul: »Turn me lose, I gotta do it my way, or no way at all«! Das war schon fast Punkrock!

Klar, die Produktion ist clean, die Synthie-Effekte sind cheesy, die Background-Sängerinnen kein Stück Metal und maximal Rock, aber nicht hard – doch für mich waren Loverboy die Helden der Freitagabende, die Platte musste zwecks Gänsehautgefühl-Replikation im Jugendzimmer gekauft werden, genau wie der Nachfolger »Get Lucky« (1981), auf dem sich mit »Working For The Weekend« die zweite der beiden Loverboy-Hitgranaten befanden, die zudem perfekt zur Wochenendeinstimmung einer Zielgruppe geeignet war, die ich für mich später als die Stahlarbeiter-Clique im Filmmeisterwerk »Deerhunter« erkannte.

Über 30 Jahre später sind Loverboy als Tonkonserve nur sehr partiell gut gealtert, ehrlich gesagt sind die meisten anderen Songs breiige Schlafmützennummern, die so klischeehaft daherkommen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass ich mir das mal freiwillig angehört habe. Bis auf den 2000 verstorbenen Bassisten sind die verbliebenen vier Ur-Mitglieder von einer bösen Hexe mit einem Fluch belegt worden und müssen bis heute ihre beiden Hits spielen. Passt zu: roten Lederjeans, Fransenlederjacke, blonden Locken, Schnauzbart und Chevy Camaro.

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