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JUDAS PRIESTScreaming For Vengeance Matthias Penzel

[CBS, 1982]

Plötzlich war es überall. Metal. Wie über Nacht. Überall Metals, Marshalls, Bands und Fans. Und der Mob tobte. Wir auch. Vier Gitarristen, jeder schon sehr versiert auf seiner Airguitar. Alle in der Halle. Zum Kopfschütteln. »24.2.1981 Judas Priest«, steht sogar in meinem einzigen Tagebuch. Es folgen drei Seiten, alle weiß. Woran ich mich erinnern kann, ist vor allem, dass ich bei »Sinner« dachte, das wäre »Exciter«. Brüllte ich auch. Hat zum Glück keiner gehört. Auch gesehen haben wir wenig. Die filigrane Feinarbeit an den Luftgitarren hat unsere Aufmerksamkeit vollauf vereinnahmt. Irgendwann stand ich auf einem Pullover, mein Kumpel zuckte zu fragendem Hochhalten mit den Schultern, ich schmiss das Ding von der Tribüne. Voll in Ekstase. Später suchten wir das Stück zwischen 10.000 Bierbechern, Kippen und Kotze. Es gehörte einem von uns. Immerhin, anders als andere sind wir nicht nach der Vorgruppe raus, in der Überzeugung, das wären Judas Priest gewesen. »Denim & Leather«, lernten die zu spät Geborenen, die da zu früh gingen, war von jemand anderem – wurde also deren Lieblingsband. Die amtliche Ansage war, ist und bleibt Judas Priest in der Besetzung.

Mit »British Steel« kamen sie wie aus dem Nirgendwo. Und mit Gewalt. Ein halbes Jahr vorher war schon die Optik von »Unleashed In The East« total irreal: Links ein Blonder mit Flying V (bei Geburt getrennter Zwilling des bei UFO über Bord gegangenen Michael Schenker?), die Pose des Brutalos in der Mitte doof wie seine Sonnenbrille und der andere Gitarrist auch voll unwirklich (1:1 wie Benny, selbe Pose, selbes Lächeln, selbe Frisur, auf dem Foto der aktuellen Single mit Kropfband und Nieten: »Zufrieden mit mir«). Wenn jemand die rostfreie Klinge als Medaillon um den Hals trägt, wie Panteras Dimebag Darrell bis zu seinem Tod durch Erschießung, wenn »British Steel« in Umfragen und Klassiker-Listen vor »Screaming For Vengeance« rangiert, geht das in Ordnung. Hey! Ich bin ein friedlicher Typ, kann also auch nicken, wenn Leute erst mal ans falsche Album denken, bei Metal vielleicht erst an Maiden oder Metallica. Kann ich akzeptieren. Ist aber totaler Bullshit.

Judas Priest: sind: Heavy Metal. Sie zierten 1981 das Cover des »Heavy Metal Special« vom »Musik Express«, 1984 die erste Ausgabe des »Metal Hammer«, etwas später die von »Rock Power«. Coverboys. Metal Gods. Initialzündung für »screaming guitars« und tausende Klischees. Eng oder direkt verknüpft mit den Subgenres, die da kommen sollten, auch mit den davon abgezweigten Derivaten (was auf Sabbath schon wegen halb so vielen Gitarristen und Gesang im Hintergrund bedingt zutrifft). Im Heavy Metal sind Judas Priest die Harley-Davidson. Ducati oder Kawasaki sind schneller, Honda zuverlässiger und weiter verbreitet, Triumph oder MV Augusta vielleicht kultiger, Münch fetter, BMW sicherer … Aber, und hier kann jeder reden, bis er im Gesicht red hot wird: Die Harley ist »es«. Das Gesetz. So wie Judas. Dann wird es kompliziert: Electra Glide oder Sportster, Fat Bob oder Cafe Racer?

Für einen Teenager in Kalifornien, Sohn eines Zeugen Jehovas, war es das zweite Album. Er hörte es so oft so laut, dass ihn sein Vater verprügelte. Später stieg der Typ bei Metallica ein, gründete Megadeth – wer wollte da an seiner Einschätzung rütteln. »Sad Wings Of Destiny« deckt das halbe Evangelium (sprich: »Unleashed«) ab. Ein wenig ging es auch beim nächsten Album aufwärts, speziell »Dissident Aggressor« (in 3:07 Minuten die Essenz der ersten vier bis fünf Alben). Full-on Metal dann bei »Stained Class«, auf Augenhöhe auch der Nachfolger, so wie »Point Of Entry« nach »British Steel« die Rückseite derselben Medaille (bzw. US-Version), dito »Defenders Of The Faith« nach »Screaming«.

Der springende Punkt: Neun magere Jahre lang haben sie geackert, verlassen von Gott und der Welt, unbeachtet von Teufel und leeren Seelen haben sie Songs und Sound gestählt. Auch die Fäuste, die Wut, male ich mir aus. Kaum waren sie über Nacht berühmt und im Fernsehen, haben sie in den ersten fetten Jahren weiterhin jeden Part und jeden Riff sorgsam zerschmolzen, zerlegt und bereinigt, bis keine Spur des Blues zu erkennen war, die von hippieskem Prog Rock nur bei gewiefter Obduktion. Yes, auch Genesis und so Sachen sind in der DNA von Metal, wie Arrangements von Maiden, Mercyful Fate, Dream Theater, Mastodon et al. illustrieren. Aber Priest waren eher da. Sie haben es vorgelegt – und zigfach komprimiert in eng geschnürte Killer-Songs gegossen, über lange Strecken ohne Gesang, dafür mit Unmengen an Zwischenteilen, vertrackt verzackt krachenden Breaks und zweigeteilten Strophen, Soli usw. Nach den neun mageren Jahren – voller Schweiß aber sicher auch Zorn – plötzlich in den Charts, im Fernsehen, auf Titelseiten. Überall weitere Metal-Bands, auch Thrash und Speed. Selbst Mötley Crüe dachten an Halford, als sie sich in Leder schnürten, parallel legten Maiden bis »Number Of The Beast« jedesmal eine Schippe drauf … und Priest, Langstreckenläufer, ging nicht die Puste aus. Sie wurden immer noch: noch besser. Auf »Screaming For Vengeance« monumental und wie in das härteste Stahl gegossen »The Hellion«, keine Minute lang, schon atemlos und rasend weitergehämmert, dann souverän, mal mit Harley, dann mit zwinkerndem Auge, auch textlich cool (obwohl natürlich gänzlich unbeachtet). Zufrieden mit mir? Teufel noch mal: Mehr geht nicht … selbst wenn ich bei »Fever« immer noch am liebsten »Diva, you set my soul on fire« brülle. Mit »Screaming For Vengeance« war die sich kontinuierlich steigernde Band auf der absoluten Höhe. Perfekt. Göttlich.

Das Vollendete hat aber einen Haken, es ist wie das Göttliche gleichzeitig nicht mehr menschlich, also ein bisschen tot (vgl. Hegel, »Vorlesungen über die Ästhetik«), und die Genese lässt sich ohnehin nicht als lineare Geschichte begreifen, was ja selbst Foucault umrifft hat: Judas Priest standen 13 Jahre nach ihrer Formierung, so wie Led Zeppelin nach sieben fetten Jahren, vor einem Problem. Was ist das nächste Ziel, was der größere Sinn. Souverän ausscheren konnten Zeppelin schon mit »III«, Priest mit »Turbo« aber nicht. »Ram It Down«, Outtakes noch mal aufgekocht, war einerseits versöhnend und konsequent (mit Chuck-Berry-Cover auch mit einem menschlichen Makel), aber das Ensemble war am Ende der Fahnenstange angekommen. »Painkiller« natürlich noch mal gut, wie mit links runtergebolzt, um dem Nachwuchs zu zeigen, wo der Hammer hängt (»brennende Predigten reinigen ihre bösen Worte / zwischen Hammer und Amboss«). Aber so konnte es nicht weitergehen. Tat es auch nicht.

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