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BAUER, GARN & DYKEHimmel, Arsch & Zwirn Frank Schäfer

[Ahorn, 1982]

Bluesgeerdeter Hardrock mit deutschen Texten hat noch nie funktioniert. So genau will man es meistens nicht wissen. Die Gitarre hat gefälligst die Wahrheit zu sprechen und sonst niemand. Genuschelte Lyrics, wenn möglich in irgendeinem rauhen englischen Arbeiter-Slang, den man höchstens mal im Refrain versteht, weil man mitgrölen möchte, sind das einzige akzeptable Medium. Man hüte sich vor Textbeilagen! Franz K. hielten sich nie an diese Regeln, sondern reimten in stumpfem Wittener Hochdeutsch Kleinbürgermief auf sozialpädagogischen Verständnismuff. Völlig witzlos. »Rock in Scheeßel« (vom 1979er Album »Geh zum Teufel«) bringt ihr philiströses Provinzlertum, metrisch wunderbar vereiert, also formal wie inhaltlich auf den Punkt:

Bis 12 spielten Golden Earring / mit Volldampf in die Nacht, /

jeder dachte, dass es losgeht, / da wurde das Licht ausgemacht, //

weder Nektar traten auf, / noch die Byrds aus USA /

für das viele Geld gab es kaum Musik / und deshalb war das Chaos da. //

Rock in Scheeßel / diese Nacht vergess ich nie, /

Rock in Scheeßel / war eine Höllensymphonie, /

Rock in Scheeßel / Feuer in der Nacht /

denn die Wut der Fans hat sich Luft gemacht. //

Flammen fragen nicht nach Schuld, / doch ich kann die Fans verstehn //

und dennoch tut es mir sehr weh / die Bühne in Flammen zu sehn.

Sie konnten einfach ihr Maul nicht halten und betourten die Bundesrepublik von oben nach unten, von links nach rechts. Und anschließend gings noch mal im Zickzack durch die Heide, auf dass kein Vereinsheim, Bürgerschützensaal und keine Jugendverwahranstalt verschont bliebe von ihrer »Höllensymphonie«. Und man fragt sich, warum hat ihnen nie, nie, nie einer die Bühne unter den Turnschuhen angezündet …

Franz K. sind der Normalfall, der die Ausnahme umso heller erstrahlen lässt. Bluesiger Hardrock mit deutschen Texten hat nämlich doch schon mal funktioniert. Ein einziges Mal wenigstens, bei Bauer, Garn & Dyke. Das Zweitwerk »Himmel, Arsch & Zwirn« gehört zu den paar unveräußerlichen Alben, ohne deren Kenntnis man nicht mit vollem Recht von sich behaupten kann, man habe gelebt. In Hannes Bauers Händen mutiert die Gitarre zum Flammenwerfer, und wenn es Gerechtigkeit in der Welt gäbe, dann würde man das Konterfei dieses linkshändigen Hamburger Genies in irgendeinen Berg meißeln, gleich neben Rory Gallagher, Billy Gibbons und einem anderen großen Linkshänder.

Bauer besitzt aber nicht nur ein Händchen für Riffs und eine eichhörnchenhafte Leichtigkeit, den Ast rauf und runter zu flitzen, er hat noch dazu eine Sprache gefunden, die seine infantile Freude am Kalauer und Flachwitz mit einer gehörigen Portion Straßenwissen unterfüttert. Er vermengt ohne Kalkül, aber mit viel Spaß an der Sache die bundesrepublikanische Nonsens-Tradition und dezidiert norddeutsche Vaudeville-Komik à la Onkel Pö mit den Stehgreif-Geschichten der alten Bluesmen. Otto, Insterburg & Co und Neue Frankfurter Schule treffen auf Muddy Waters. Etwa wenn Hannes, der alte Schwerenöter, einer gewissen »Marleen« seine Briefmarkensammlung zeigen will.

Sie kommt mit mir nach Haus, und ich steh auf’m Schlauch /

Sie fragt, warum ich eine nach der andern rauch /

Und ob sie nun die Briefmarken ankucken kann /

Oh Mann, oh Mann, oh Mann //

Ich hab gar keine, kommt es aus mir heraus /

Sie sagt: Macht nix, Hansi, dreh die Lampe aus /

Bei uns kann die Post auch ohne Marken abgehn /

Wie schön, wie schön, wie schön /

Wenn er seine Faves übersetzt, Gallagher, ZZ Top et al., ist das schön und gut. Viel besser aber sind seine kerosingetriebenen Eigenkompositionen, in denen Noten und Worte wieder einmal diese kongeniale Verbindung eingehen, die man bei den großen Bluesmen findet. Aber Bauer hat viel mehr zu bieten als nur den Blues. »Pyro-Manni« etwa ist ein lupenreiner Hardrock-Riffer, dessen Solo förmlich explodiert und dessen Irrwitz seinem Protagonisten in nichts nachsteht. Hier ist gepflegtes Headbanging sogar mal auf (mehr oder weniger) Hochdeutsch möglich.

Schon als Kind spielte Manni immer gerne mit dem Feuer /

Vater wars egal, Mutter war es nicht geheuer. /

Eines Tages steckte er den ganze Häuserblock in Brand /

Die Feuerwehr fand ihn, als er lächelnd vorm Spiegel stand. //

Feueralarm! Feueralarm! / Spieglein an der Wand /

Feueralarm! Feueralarm! / Wer ist der heißeste Typ im Land? /

Pyro-Manni!

Bauer, Garn & Dyke stehen kurz davor, die großen Hallen nass zu machen. Sie spielen eine realitätsverbiegende »Rockpalast«-Show, aber in der Zwischenzeit war Udo Lindenberg längst aufmerksam geworden und hatte Bauer rekrutiert. Die gut dotierte Arbeit im Panikorchester frisst seine kreativen Ressourcen – und das ist eine der großen Tragödien der bundesrepublikanischen Rockgeschichte. Es kommt einfach kein weiteres Album mehr. Wir haben gewartet bis in die späten Achtziger hinein, mussten uns »Himmel, Arsch & Zwirn« noch einmal kaufen, weil die Nadel irgendwann die Musik rausgekratzt hatte, vor allem natürlich »Pyro-Manni«, mit dem sich jede Party im Harzvorland abfackeln ließ.

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