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DIOHoly Diver Sebastian Graf

[Mercury, 1983]

Genau kann ich den Zeitpunkt nicht mehr beziffern, aber es muss sich irgendwann in den 80ern zugetragen haben: meine erste Begegnung mit Heavy Metal. War meine bisherige Beschäftigung mit der Musikrichtung nur auf Hardrock begrenzt gewesen, so war der Erstkontakt mit den härteren Genrevertretern so etwas wie eine Initialzündung. Doch auch für mich kam Metal nicht über Nacht, genauso wenig ist er vom Himmel gefallen. Nein, er stand einfach vor mir. Im Kaufhaus Schneider, im Verkaufsdisplay, dem Kundenfänger am Ausstieg der Rolltreppe. Da sprang es mir ins Auge, jenes epochale Album von Dio namens »Holy Diver«, und zwar als MC, einem Tonträgerformat, das neulich schon als ausgestorben galt – wenn man von dessen tristem Hörspielkassettendasein in heimischen Kinderzimmern einmal absieht –, bis es jüngst seine Wiederbelebung durch die Hipster-Kultur erfahren hat.

Das Cover-Artwork hatte für mich einen hohen Wiedererkennungswert, weil es bei meinem Mitschüler Horst bereits seit Wochen auf einem schwarzen Sweatshirt prangte und in den endlosen Schulhof-Diskussionen über den besten Gitarristen, den charismatischsten Sänger oder die lauteste Band zur Untermauerung seines Fachwissens diente. Kompetenzzuschreibung über Bekleidung war damals nicht nur im Berufsleben eine unverzichtbare Tugend, denn anhand des Bandshirts wusste man immer gleich, mit wem man es zu tun hatte. So gut wie niemals wäre beispielsweise ein Popper auf die Idee gekommen, aus modischen Gründen einen Metalschriftzug auf der Brust zu tragen. Damals jedenfalls konnte ich nach kurzer Rücksprache mit meinem Bruder zwecks Zusammenlegen der Ersparnisse für den Kassettenkauf den »Holy Diver« mein Eigen nennen, und zwar im Original (ausnahmsweise!) und nicht überspielt. Daheim angekommen, war die erste Amtshandlung jedoch nicht etwa das Anhören, sondern das Beschriften von Tape und Hülle mit meinem Vor- und Zunamen. Später bin ich dazu übergegangen, in dieser Angelegenheit den Vorgang auf die Initialen zu reduzieren, natürlich immer so, dass das Artwork nicht beschädigt wird. Bei der besagten Veröffentlichung war es nämlich ausschlaggebend für die Kaufentscheidung, zumal ich vorher kein einziges Stück gehört hatte. Mir war lediglich der Bandname bekannt, selbst über die korrekte Aussprache desselben waren wir uns im Unklaren.

Wenn ich genau nachdenke, dann weiß ich nicht mehr genau, welche Wirkung das Cover wirklich auf mich hatte. Es muss wohl eine gesunde Mischung aus Verstörung und Begeisterung gewesen sein, denn die Grafik, die einen katholischen Geistlichen zeigt, der in Ketten von einer übermächtigen Teufelskreatur in ein tosendes Gewässer geworfen wird, strahlt im Gegensatz zu den meist hymnischen Songs eine ungeheure Dynamik aus, da hier mehrere Handlungsabläufe auf einmal dargestellt sind. Der neugierige Betrachter darf sich seinen eigenen Reim auf den Sinn der Abbildung machen, vor allem eine Frage bedarf der Klärung: wodurch und warum die Ketten gesprengt werden. In reiferem Alter würde ich heute behaupten, dass die Message des Artworks etwas zu dick aufgetragen ist. Andererseits war es ja gerade auch bei mir die epochal typische Koketterie mit der bisweilen auch geschmacklosen Darstellung antiklerikaler Gewaltfantasien, die letztlich ohne vorheriges Probehören den Kauf ausgelöst hatte. Beim Betrachten der Setlist fallen mir noch heute, nach ca. 30-jährigem Nichthören, zu jedem Albumtrack das prägnante Riffing und Ronnie James’ markanter Gesang über die Welt der Elfen und Trolle ein. Es war bestimmt kein Zufall, dass Pen-and-Paper-Rollenspiele zum beliebten Zeitvertreib des Verfassers dieser Zeilen gehörten. Wie der Bandname korrekt ausgesprochen wird und dass er der Nachname des Frontmans ist, der schon eine Gesangskarriere bei Rainbow und Black Sabbath hinter sich hatte, sollte sich mir auch erst Jahre später erschließen – genauso wie die zentrale Bedeutung dieses Werkes für die musikalische Früherziehung zahlreicher Metal-Jünger.

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