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VENOMWelcome To Hell Erich Keller

[Neat, 1981]

Alles fing an mit »Welcome To Hell«. Wenn man’s genau nimmt, war es die kurz zuvor veröffentlichte »In League With Satan«-Single, aber wirklich eingeschlagen hat erst die LP. 1981 war nichts roher und direkter als diese Platte, mit ihrem scheppernden Sound, der zwischen Verachtung und Spott vibrierenden Stimme, dem unkontrollierten, immer wieder ausbrechenden Schlagzeug und dieser von eigenartigen Arabesken durchzogenen Gitarrenarbeit. Die damals härteste Band der Welt, Motörhead, wurde über Nacht entthront und alle anderen – Judas Priest, Demon, Saxon, Angel Witch oder Iron Maiden – von Venom wie von einer schwarzen Sonne überstrahlt.

Erst Venom waren es, die den Satanismus als bedrohliches Spektakel inszenierten und deren Musik genauso extrem und gegen die Erwachsenenwelt gerichtet war, wie man sich das als Teenager nur wünschen konnte. Stundenlang saß ich damals mit dem Textblatt und einem kleinen Englisch-Langenscheidt da, versuchte Sinn in die englischen Sätze zu lesen. Gab es da nicht eine geheime Verbindung zu den zwei »Omen«-Spielfilmen? Und das Foto auf der Coverrückseite: die drei Männer in Spandex und Leder, was tun die da am Strand mit der Axt? Wozu die Axt? Man müsste das alles nur verstehen können, das eine mit dem anderen verbinden. So hieß die Aufgabe, und die Fantasie füllte die Lücken.

Dabei, so wird Jeff »Mantas« Dunn nicht müde zu erzählen, sei alles nie ernst gemeint gewesen. Zwei Jahre hatten Venom tapfer in irgendeinem Loch im deindustrialisierten Norden Englands geprobt. Der erste Song, den sie gespielt hätten, sei ein Cover von »Hotel California« gewesen und aufgetreten seien sie bloß ein einziges Mal, auf einem Hochzeitsfest, zum Entsetzen der Gäste.

Als sie 1980 im Impulse-Tonstudio ein Demotape aufnahmen, sei da dieser Typ gewesen, dessen Aufgabe es eigentlich war, die Bandmaschine zu bedienen, Conrad »Cronos« Lant. Ein Großmaul, nett, aber total verrückt. Er drängte sich allen auf, immerzu redete er von seiner Band, die es wahrscheinlich nie gegeben hat, mit ihrer gigantischen Stageshow. Nur zwei, drei Mal im Jahr könnten sie deswegen auftreten, so teuer seien die laufend explodierenden Pyros, wie die Welt, sicher aber Newcastle, sie noch nicht gesehen habe.

Die Erzählungen machten Eindruck, kurz darauf übernahm Lant Bass und Gesang bei Venom. Und er kümmerte sich ums Image, ums Bandlogo, die Bühnenshow, kurzum: eigentlich hijackte er die Gruppe und drückte ihr seinen irren Stempel auf.

»Look out, beware / when the full moon’s high and bright / in every way, I’m there / every shadow in the night« – immer noch jagen mir die Songs einen eigenartigen Schauer über den Rücken. Natürlich wissen heute alle: Die Boshaftigkeit war nur gespielt, eigentlich waren Venom genau wie Kiss. Verkleidete Typen halt. Die Texte dumm, die Musik unter Einsatz aller Kräfte so gespielt, dass die Songs gerade noch zusammenhalten, statt in lächerliche Einzelteile zu zerfallen. Aber damals wusste man das eben nicht. Auch Tom Fischer, der seine Band Hellhammer nach dem Vorbild Venoms modellierte, um diese dann in allen Aspekten übertrumpfen zu können, wusste es nicht. Und die Kirchenanzünder und Mörder in Norwegen schienen ihn zehn Jahre später immer noch nicht verstanden zu haben, den faulen Zauber mit seinen Ermächtigungsfantasien.

Doch was nützt’s. »Welcome To Hell« und »Black Metal« sind die Bastardsöhne der New Wave of British Heavy Metal. Heute erkennt man all die Unstimmigkeiten, den Sarkasmus und das Lächerliche, das sich damals aus der Distanz nicht gezeigt hat. Aber so geht es mit Musik und ihrer starken Kraft: Die Eindrücke von früher weigern sich manchmal hartnäckig, von der Kritik von heute überschrieben zu werden. Oder sich der elitären Validierung dieser fehlerhaften, fantastischen und mit nichts als Eigensinn produzierten Musik anzuschließen. Hier hilft kein akademisches Philosophieren weiter oder die gönnerhafte Umwölkung mit blutleerer Poptheorie.

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