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KISS(Music From) The Elder Sascha Seiler

[Casablanca, 1981]

Es gibt Momente in der Karriere großer, erfolgreicher Bands, die einen deutlichen Bruch mit ihrem bisherigen Schaffen repräsentieren, gerade weil die Musiker versucht haben, etwas anderes zu machen, aus ihrer Komfortzone auszubrechen oder mitunter auch dem Größenwahn verfallen sind. Im Nachhinein, erholen sich die Acts überhaupt von diesem Bruch, wird die Phase als vorübergehende Anomalie auf der Zeitachse ihrer Karriere wahrgenommen. Aber es sind gerade diese Anomalien, die noch Jahrzehnte später einen besonderen Reiz ausüben können.

In der Karriere von Kiss ist eine solche Phase zu beobachten, die nach der Veröffentlichung des überaus erfolgreichen »Love Gun«-Albums 1977 beginnt und vor der Veröffentlichung des hart rockenden, als Comeback deklarierten »Creatures Of The Night« 1982 endet. Dazwischen liegen zwei mediokre Alben (wobei »Dynasty« immerhin einen Welthit abwarf, wenn auch im Disco-Gewand), vor allem aber ein mehr als seltsamer TV-Spielfilm mit dem Titel »Kiss meets the Phantom of the Park« (1978), in dem Kiss als Superhelden einem bösen Wissenschaftler das Handwerk legen müssen (und der in vielen Ländern aufgrund der Popularität der Band auch in die Kinos kam). Dazu veröffentlichten die Maskenmänner im selben Jahr das schon legendäre Solo-Alben-Projekt, dem die einfache Rechnung zugrunde lag: Wenn ein Kiss-Album eine Million Exemplare verkauft, dann verkaufen vier Soloalben vier Millionen. Eine fatale Fehlkalkulation. Und dann ist da natürlich noch das 1981 erschienene Konzeptalbum »(Music From) The Elder«.

Um die wahren Dimensionen dieses Experiments zu begreifen, muss man sich zunächst vergegenwärtigen, dass Kiss eine textlich eher einfach gestrickte Band sind, die in ihren Songs zwar gerne diverse Damen zu blumig umschriebenen Liebesakten auffordern, doch mit einer dunklen Geschichte um einen mythischen Kampf zwischen Gut und Böse bisher wenig Berührungspunkte aufwies. Nun hat Mastermind Gene Simmons jedoch bereits als Kind eine sehr innige Beziehung zu Superhelden-Comics gehegt, immerhin hat der israelische Einwanderer durch diese nach eigener Auskunft die englische Sprache erlernt. Zunächst schwebte ihm ein Spielfilm vor, basierend auf einer eigens verfassten Kurzgeschichte. Produzent Bob Ezrin, der einige Jahre zuvor den Kiss-Meilenstein »Destroyer« verantwortet hatte, redete Simmons diesen allerdings ziemlich schnell aus – mit dem Argument, man müsse aus seiner Story unbedingt ein Konzeptalbum machen.

Das Ergebnis war ein pompöses Werk, von der Covergestaltung über die Texte bis hin zu der Musik, die zwischen The Whos »Quadrophenia«, dem typischen Kiss-Sound und Andrew Lloyd Webber-Musicals hin und her pendelt, und von dem alle Kiss-Mitglieder heute der Meinung sind, man hätte sich dieses Album sparen sollen – wohl auch, weil die Fans so gar nichts damit anfangen konnten und es wie Blei in den Regalen liegen blieb.

Komischerweise sind bisher die wenigsten auf die Idee gekommen, »The Elder« auch mal anzuhören, denn was sich hinter der massiven, antiken Holztür, die das Cover ziert, verbirgt, ist ein zwar manchmal skurriles, aber seltsamerweise doch überzeugendes Album, auf dem eine in der Regel ziemlich eingefahrene Band ein weiteres Mal nach den retrospektiv zumindest befreiend wirkenden Soloalben neue Wege geht. Das mit einem Lou-Reed-Text versehene Stück »A World Without Heroes« etwa ist eine bewegende, im positiven Sinn pathetische Ballade, die unverdient nicht zu den Highlights im Kiss-Katalog gezählt wird. »Just A Boy« bedient sich sehr offen bei Pete Townshends Rock-Opern und nimmt damit etwa W.A.S.P.s »The Crimson Idol«-Album vorweg. Tatsächlich sind es vor allem die langsame getragenen Stücke, die gerade im Kontext der auch hier vertretenen (wenn auch mit mythischen Texten etwas verfremdet daherkommenden) Kiss-Stampfer wie »The Oath« oder »I« den Unterschied ausmachen.

Natürlich war es vor allem die Vorstellung, die maskierten und in gewohnt seltsame Kostüme gekleideten Musiker düstere Lieder über den mythischen Kampf zwischen Gut und Böse singen zu hören, die mitunter etwas abschreckend wirken konnte. Auch gibt sich zumindest Paul Stanley keine hörbare Mühe, seine gewohnte Intonation auch nur ansatzweise zu ändern – anders übrigens als Kollege Simmons, der aber ja schon Erfahrung mit dem Singen alter Disney-Klassiker auf seinem Soloalbum sammeln konnte. Dennoch: Ein unterschätztes Werk, gerade weil es in höchstem Maße skurril und antizyklisch daherkommt.

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