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Die gute alte Straßenbahn

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Noch stellte niemand die Straßenbahn in Frage, als die leitenden Herren der Städtischen Verkehrsbetriebe kurz vor der Auslieferung die neuen Großraumwagen 1959 in der Waggonfabrik in Köln besichtigten: Künftig konnten ein Fahrer und ein Schaffner 220 Personen in einem Wagen befördern.

„Die neuen Wagen haben modernste windschnittige Form. […] Die drei an jeder Seite symmetrisch angeordneten Falttüren werden elektrisch betätigt. […] Die farbliche Kombination ist eindrucksvoll: Sitzplätze in warmem Holzton, Seitenwandverschalung in Sperrholz mit grüngemusterter Kunstledertapete. […] Zum Komfort gehören die Beleuchtung mit Leuchtstoffröhren und die moderne Ausrufanlage mit Verstärkern. Jeder Fahrgast kann aber auch durch einen Druck auf einen Knopf dem Schaffner anzeigen, dass er den Wagen an der nächsten Haltestelle verlassen möchte. […] Das Fahrsignal wird beim Fahrer erst sichtbar, wenn die vom Schaffner zu betätigenden Türen geschlossen sind. […] Es wird wirtschaftlich stark zu Buch schlagen, dass man in Zukunft für den gleichen Nutzraum nur noch einen Schaffner benötigt, statt bisher (für Triebwagen und Anhänger) zwei!“103

Die Zeit war nicht mehr fern, wo man den Schaffner ganz einsparen und dem Fahrer das Wechselgeld in die Hand drücken würde! Doch in Zeiten der Vollbeschäftigung schien die Personaleinsparung niemanden zu beunruhigen.

An der ewig geschlossenen „Glückauf-Schranke“ (da hast Du „Glück“, wenn sie „auf“ ist) wurde der Schaffner (oder die Schaffnerin!) aber noch eine Zeit lang gebraucht. Das Verkehrsärgernis Nummer eins in Oberhausen an der Emschertalbahn wurde erst im Herbst 1965 durch eine Brücke ersetzt. Kurz vor der Eröffnung, im Bundestagswahlkampf 1965 fuhr Luise Albertz in einer offenen schwarzen Mercedes-Limousine an der Seite von Willy Brandt über die neue Trasse. Ab Februar 1966 war die Brücke auch für die Straßenbahn offen. Zum letzten Mal hielt ein alter Straßenbahntriebwagen an der geschlossenen Schranke und rumpelte dann über die Bahngleise, nachdem die Schaffnerin sich vorschriftsmäßig vergewissert hatte, dass kein Zug mehr im Anmarsch war, um dann auf die langsam fahrende Straßenbahn wieder aufzuspringen.104


Abb. 11: Luise Albertz in einer offenen schwarzen Mercedes-Limousine an der Seite von Willy Brandt bei der Einweihung der neuen Straßenbrücke über die Emschertalbahn, GA vom 3. September 1965

Zweieinhalb Jahre später ging das Straßenbahnzeitalter in Oberhausen zu Ende. Am Sonntag, dem 13. Oktober 1968, fuhr die Linie 1 zum letzten Mal von der Broermann-Realschule (heute Anne-Frank-Realschule) zum Bahnhof Holten. Wer wollte, konnte auf dieser wehmütigen letzten Fahrt umsonst mitfahren. Am 3. April 1897, vor 71 Jahren, war die erste „Elektrische“ vom Oberhausener Bahnhof bis zur Essener Straße gerumpelt, wo die Leitung der GHH für die Ehrengäste eine Runde kühles Pils ausgab. Oberhausen konnte stolz für sich in Anspruch nehmen, als erste deutsche Stadt seit 1897 einen elektrischen Straßenbahnbetrieb voll in kommunaler Regie zu betreiben. Jetzt waren die Stadtoberen der Meinung, dass Busse schneller und wirtschaftlicher seien. Argumente des Umweltschutzes spielten damals noch keine Rolle.105 Dass das Intermezzo ohne Straßenbahn gerade mal drei Jahrzehnte dauern würde, ahnte in den 1960er Jahren noch keiner. Dem Auto gehörte die Zukunft. Personen- und Güterverkehr wurde überall von der Schiene auf die Straße verlagert. Öl verdrängte die Kohle als wichtigster Energieträger.

Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4

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