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Die GHH Sterkrade AG verliert ihre Selbständigkeit

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Nachhaltig wirkende organisatorische Entscheidungen betrafen in den späten 1960er Jahren auch die GHH Sterkrade AG.

„Am 1. Juli 1969 straffte die GHH den maschinenbauenden Konzernbereich, die GHH Sterkrade AG kam als hundertprozentige Tochter zur M.A.N. AG. Die von Hermann Reusch, von 1947 bis 1966 Vorstandsvorsitzender der GHH, erbittert bekämpfte Entflechtung des GHH-Konzerns nach dem Zweiten Weltkrieg erwies sich im nachhinein eher als glückliche Fügung. Sie konzentrierte die gesamten Konzernkräfte auf den zukunftsträchtigen Sektor Weiterverarbeitung und ersparte der GHH langjährige Ertragsbelastungen durch Strukturkrisen in den Grundstoffbereichen, wie dem Zechensterben und der Stahlflaute“17.

Eine ganz offensichtlich zutreffende Einschätzung, denn schon im Januar 1972 konnte der Vorstandsvorsitzende Dr. Heinz Krämer von einer stark verbesserten Finanzsituation der GHH Sterkrade berichten. In dieser Zeit wurden verstärkt Komponenten für Kernkraftwerke gebaut, aber auch das größte Hochofengebläse Europas oder Anlagen zum Schachtausbau in einer britischen Kaligrube (WAZ, 14. Januar 1972).

Wie eng manchmal positive und negative Unternehmensentwicklungen zusammenhängen, zeigt folgendes Beispiel: Während die HOAG-Mitarbeiter um die Fortführung des Hochofens A bangten, freute man sich in der nur wenige Kilometer entfernten GHH Sterkrade über den Auftrag der ATH zum Bau des größten Hochofens der Welt in Schwelgern (WAZ, 18. März 1972). Nur sieben Jahre später, 1979, wurde der Hochofen A in Oberhausen stillgelegt und die Roheisenproduktion eingestellt.

In den frühen 1970er Jahren, also vor der ersten Ölpreiskrise im Oktober 1973 und der damit verbundenen wirtschaftlichen Abschwächung der Konjunktur, beeindruckte die GHH Sterkrade mit positiven Berichten über das Unternehmen. Zum Bericht über das Geschäftsjahr 1972/​73 äußerte sich der GHH-Konzern-Vorsitzende Dr. Friedrich Wilhelm von Menges zuversichtlich im Hinblick auf das Sterkrader Werk. Dieses habe „seine Rolle als führender Lieferant modernster Bergwerksanlagen ausbauen können“. Als weitere Produktionsschwerpunkte nannte er den „Auftrag von drei Dampferzeugern für ein Kraftwerk in der Schweiz“, „den Auftrag für den Neubau des Sauerstoff-Aufblas-Stahlwerks der Usimas in Brasilien“, die „Entwicklung der Heliumturbine mit geschlossenem Kreislauf für das neue Heizkraftwerk [der EVO, M. D.] in Sterkrade“ und wies auf den fast neunzigprozentigen Exportanteil des Turbo-Maschinenbaus hin (WAZ, 22. Januar 1974).

Während das Inlandsgeschäft in den folgenden Jahren weitgehend stagnierte, wurde das Exportgeschäft immer wichtiger. Aufträge aus China, der UdSS. und aus Jugoslawien, um nur einige zu nennen, sorgten für volle Auftragsbücher und steigerten den Exportanteil auf 56 Prozent (WAZ, 24. Juni 1974).

Die Konjunkturschwäche der deutschen Wirtschaft in der Mitte der 1970er Jahre beeinträchtigte auch die Geschäftsentwicklung der GHH Sterkrade. Am 23. März 1976 lautete die Überschrift in der NRZ über die Betriebsversammlung: „Spürbar weniger Aufträge zu Beginn dieses Jahres“. Der nachfolgende Hinweis „Bei noch befriedigender Auslastung in den Kernbereichen zeichnen sich insbesondere für Fertigungen, die vornehmlich von der Nachfrage inländischer Auftraggeber getragen werden, Beschäftigungslücken ab“, war mehr als nur ein Warnsignal für die Zukunft. Denn weitgehend unbemerkt in der Öffentlichkeit hatte die GHH Sterkrade allein im Zeitraum 1970 bis 1975 von 8.600 Arbeitsplätzen rund 1.100 abgebaut. Obwohl man sich verstärkt um Auslandsaufträge bemühte, konnten im Geschäftsjahr 1975/​76 „die rückläufigen Bestellungen aus dem Inland nicht voll durch Auslandsaufträge ausgeglichen werden“. (WAZ, 15. Oktober 1976)

Schon ein Jahr später informierte das Vorstandsmitglied Franz Sieverding die Belegschaft, „daß bei der derzeitigen Auftragslage in den verschiedenen Betriebsbereichen mit Kurzarbeit und Stellenreduzierung gerechnet werden muß“. Dies galt auch für die GHH-Verwaltung, wo in den nächsten 18 Monaten 200 Arbeitsplätze abgebaut werden sollten, vornehmlich durch „normalen Abgang“. (NRZ, 29. März 1977)

Von der Belebung der Konjunktur in den Jahren 1978 und 1979 profitierte die GHH Sterkrade, wenn auch nicht im gleichen Umfang wie der GHH-Konzern. Im Oktober 1979 betonte der Vorstands-Vorsitzende des GHH-Konzerns, Dr. Manfred Lennings, in den neu gestalteten Innenräumen des Verwaltungsgebäudes an der Essener Straße gegenüber der Stadtspitze die Verbundenheit mit dem Standort Oberhausen mit den Worten: „Wir bleiben in Oberhausen engagiert“. (NRZ, 24. Oktober 1979)

Völlig überraschend entschied der MAN-Aufsichtsrat am 14. November 1979 die GHH Sterkrade vollständig in die MAN einzugliedern und ab 1. Januar 1980 als „MAN Unternehmensbereich GHH Sterkrade“ weiterzuführen. Als Betriebsabteilung der MAN hatte die GHH Sterkrade damit ihre unternehmerische Selbständigkeit verloren (NRZ, 17. November 1979).

Zu den berechtigten Sorgen der Mitarbeiter, denn das Unternehmen hatte allein im Zeitraum von 1970 bis Ende 1979 über 1.700 Arbeitsplätze abgebaut, äußerte der Vorstandsvorsitzende Dr. Thiele die Überzeugung, „dass die neue Struktur langfristig Arbeitsplätze stabilisiere“ (NRZ, 24. November 1979). Eine Einschätzung, die durch die Entwicklung im nächsten Jahrzehnt leider nicht bestätigt wurde.

Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4

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