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Geschichten

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Geschichten arrangieren die Erfahrung von Ereignissen im Zeitverlauf derart, dass daraus eine kohärente Erzählung entsteht (White u. Epston 1990, S. 10). Sie stellen einen selektiven Rahmen für den »Stoff« bereit, aus denen sie bestehen (nämlich der Verbindung von Personen, Handlungen, Orten, Zeiten und Intentionen). Als Identitätsgeschichten konstituieren sie unsere Erfahrungen, unser Verständnis von uns selbst und unsere Beziehungen. Sie beeinflussen unsere Wahrnehmung ebenso wie ihre Interpretation und Mitteilung.

Sobald wir beginnen, unsere Erfahrungen zu interpretieren, bewegen wir uns in einem narrativen Kontext. Der Rahmen, der es uns ermöglicht, Erfahrungen einzuordnen und mit Bedeutung zu versehen, besteht aus den uns verfügbaren Selbsterzählungen. Nicht alle Ereignisse werden in Geschichten eingebettet. Eine bestimmte Erfahrung wird für uns erst dann bedeutungsvoll, wenn sie in den thematischen Rahmen unserer Selbstgeschichten passt.

Der fortlaufende Prozess der Interpretation von Erfahrung mit seiner relativen Offenheit, Unvollständigkeit, Lückenhaftigkeit und potenziellen Widersprüchlichkeit sowie der Möglichkeit, dass unterschiedliche Erzählschablonen gleichzeitig verfügbar sind, eröffnet einer therapeutischen Konversation Raum für ein narratives Neuvertexten (»re-storying«; ebd.).

Manche Selbsterzählungen und ihre jeweiligen Handlungslogiken beinhalten Einschränkungen, die der Reichhaltigkeit der gelebten Erfahrung im Alltagsleben nicht gerecht werden können. Dies gilt insbesondere für jene »problemgesättigten« Erzählungen (ebd.), die dazu führen, dass Personen ihr Leben und ihre Beziehungen weitgehend im Lichte dieser Problemerzählungen erleben. Erfahrungen, die im Widerspruch zur Problemgeschichte stehen, lassen sich nur schwer oder gar nicht in diese dominante Erzählung einordnen.

Der Interpretationsrahmen dieser Art von Geschichten enthält häufig eine Fülle von negativen Bewertungen von Alltagserfahrungen. Defizitorientierte Geschichten von Inkompetenz, Schwäche, Hilflosigkeit, Versagen, Überengagement, mangelnder »Abgrenzung« etc. greifen auf das gesamte kulturelle Repertoire an Möglichkeiten zu negativer Einschätzung von Erfahrung zurück.

Narrative Therapie soll das Feld an möglichen Geschichten erweitern und Zugang zu solchen Geschichten ermöglichen, die narrative Ressourcen für die Bereicherung des Lebens und seiner Beziehungen bereitstellen.

Die Therapie wird sich daher an folgenden Überlegungen orientieren:

•Welche Art von Geschichte wird hier erzählt?

•Welchen Standpunkt nimmt der Klient in dieser Geschichte ein?

•In welcher Art von Geschichte »müssen« die »Zuhörer« sein, um die Logik der Geschichte zu übernehmen?

•Zu welchen Interpretationen lädt diese Geschichte ein?

•Welche »selbstverständlichen« Implikationen beinhaltet der »interpretative Appell« der Geschichte?

Systemische Therapie und Beratung – das große Lehrbuch

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