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Die funktionale Familientherapie (FFT) (Sexton u. Alexander 2005) stützt sich wesentlich auf die strukturelle und strategische Familientherapie sowie die soziale Lerntheorie. Störungen werden als Ausdruck von Beziehungsproblemen verstanden. Sie gewinnen innerhalb eines Familiensystems eine Funktion, die zu ihrer Aufrechterhaltung beiträgt. Gestörte Interaktionsabläufe, problematische Grenzen oder eine Hierarchieumkehr sind Ausdruck dysfunktionaler Familienprozesse. Die Behandlungsstrategien zielen insbesondere auf die Distanzregulation ab. In Anlehnung an Haley (1985) sollen durch eine Veränderung des Interaktionsgeschehens Symptome überflüssig gemacht werden. In der jüngeren Vergangenheit haben sozialkonstruktivistische Konzepte die FFT beeinflusst, außerdem wird der Einfluss von Bedeutungsgebungsprozessen auf die Konstruktion von Problemen stärker beachtet.

Die behaviorale Familiensystemtherapie (BFST) wurde zur Behandlung anorektischer Jugendlicher und bei Diabetes entwickelt (Robin u. Foster 1989). Sie orientiert sich an der strukturellen Familientherapie; Interventionen zielen darauf ab, problematische strukturelle Merkmale des Familiensystems – zum Beispiel Verstrickungen, Triangulierungen, Hierarchieumkehrungen und Koalitionen über Generationsgrenzen – zu erkennen und zu verändern; außerdem werden Problemlöse- und Kommunikationsfertigkeitstrainings durchgeführt und Reframings eingesetzt (vgl. Brent et al. 1997).

In den USA gilt die Brief Strategic Family Therapy (BSFT) als Best-Practice-Modell für die Behandlung von Jugendlichen mit Substanzstörungen. Sie wird heute erfolgreich bei Sozialverhaltensstörungen und der Prävention vor AIDS in Risikopopulationen angewendet (Robbins, Horigian u. Szapocznik 2008). Die BSFT basiert auf dem systemischen Modell von Minuchin (1997) und Haley (1985) sowie der sozialökologischen Theorie von Bronfenbrenner (1981). Ansatzpunkt sind intrafamiliäre Interaktionsstrukturen, die entweder problematische Verhaltensweisen aufrechterhalten oder zu Lösungen führen können. Ebene der Intervention ist das Familiensystem, es werden aber auch die Besonderheiten der Einzelpersonen und der soziale Kontext beachtet. Zu den Interventionsstrategien zählen insbesondere Joining der Einzelpersonen und der Familie, stützende Interventionen, Enactments, umstrukturierende Interventionen zur Veränderung starrer Interaktionsmuster in der Gegenwart, Umdeutungen und Reframing (vgl. dazu insges. Abschn. 2.1.1), die Arbeit an Grenzen, Herstellung und Auflösung von Allianzen, Regulation der interpersonellen Nähe und der Einsatz von Aufgaben. Das Vorgehen des Therapeuten ist aktiv und direktiv. Klienten werden ambulant im Familien- und Einzelsetting gesehen, zum Teil wird auch aufsuchend in der Schule oder im weiteren sozialen Umfeld gearbeitet. Es gibt differenzierte Strategien zur Erhöhung der Therapiemotivation von Jugendlichen mit Drogenproblemen. Ein besonderes Merkmal der BSFT ist die sorgfältige Abstimmung des Vorgehens mit den kulturellen Besonderheiten verschiedener ethnischer Gruppen.

Auch die multidimensionale Familientherapie (MDFT) ist ein störungsspezifischer Ansatz zur Behandlung von Jugendlichen mit Substanz- und Verhaltensstörungen (Spohr u. Gantner 2010). Sie beruht auf dem strukturell-strategischen Modell und berücksichtigt Ergebnisse der Entwicklungspsychopathologie, der Suchtforschung sowie der Lern- und Systemtheorie. Ergänzt wird der Ansatz von einer ökologischen Perspektive, in der Individuen und ihre Familien in ihrer Einbettung in soziale Kontexte verstanden und relevante außerfamiliäre Bezugspersonen bzw. -systeme in die Behandlung einbezogen werden. Der therapeutische Prozess gleicht einer Pendeldiplomatie zwischen Subsystemen – dem Jugendlichen, den Eltern, der Familie insgesamt – und weiteren sozialen Systemen wie Schule, Freunde usw. Zu den wichtigsten Aufgaben des Therapeuten gehört die Stärkung der Behandlungsmotivation. Grundlegend für den Erfolg ist die Haltung des Therapeuten, der sich als Anwalt des Jugendlichen und der Eltern versteht. Veränderungsfokus sind konkrete Interaktionen und Beziehungs- und Lebensthemen, die für den Jugendlichen und seine Eltern von Bedeutung sind.

Die multisystemische Therapie (MST) wurde für Jugendliche mit schweren Sozialverhaltensstörungen und Delinquenz entwickelt (Fürstenau u. Rhiner 2010; Sheidow u. Henggeler 2008). Inzwischen wird der Ansatz auch bei Jugendlichen mit Diabetes, Suizidalität, Übergewicht und emotionalen Anpassungsstörungen eingesetzt. Theoretische Grundlage sind die Allgemeine Systemtheorie sowie strategische und strukturelle Ansätze wie die sozialökologische Entwicklungstheorie von Bronfenbrenner. Es wird davon ausgegangen, dass Störungen im Kontext der Familie entstehen, etwa durch verdeckte Koalitionen zwischen Indexpatient und einem Elternteil oder durch das Zusammenspiel anderer Systeme und Familie. Der Fokus des ressourcenorientierten therapeutischen Vorgehens liegt auf der Veränderung der sozialen Lebenswelt des Jugendlichen – der Familie, der Schule oder Peers – mit dem Ziel, eine Veränderung des Problemverhaltens zu ermöglichen. Die Position des Therapeuten ist aktiv und handlungsorientiert, Verhaltensabläufe werden in den Mittelpunkt gestellt. Die Interventionstechniken sind primär systemisch und werden zum Teil durch verhaltenstherapeutisch orientierte Interventionen ergänzt. Die Behandlungen finden aufsuchend in der natürlichen Umgebung des Patienten statt.

Eine Besonderheit der MST ist das hochintensive Setting – drei bis vier Therapeuten bilden ein Team, das an sieben Tagen über 24 Stunden eine Rufbereitschaft unterhält. Jeder Therapeut sieht lediglich vier bis sechs Familien über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten, mit durchschnittlich 60 Stunden direkter Kontaktzeit.

Systemische Therapie und Beratung – das große Lehrbuch

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