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Dichte

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Der Begriff D. kann in einen naturwissenschaftlichen (↗ Physik) und in einen sozialwissenschaftlichen (↗ Sozialraum) Anwendungs- und Konstruktionsbereich gegliedert werden. Bei der physikalischen Begriffsbestimmung wird D. spätestens seit Isaac Newton (1643–1727) als Quotient aus ↗ Masse und Volumen (bezogen auf einen materiellen Stoff) definiert. In den Sozial-, Planungs- und Bevölkerungswissenschaften wird D. seit Ende des 18. Jh.s als das Verhältnis von einer Anzahl von ↗ Menschen zu einer Flächeneinheit (↗ Fläche) und bezogen auf einen konkreten ↗ Ort bestimmt. Aus der damit definierten Einwohnerd. wird in unterschiedlichen Disziplinen eine Vielzahl von D.begriffen herausgebildet (wie etwa ‚bauliche D.‘ und ‚soziale D.‘), die sich inhaltlich jedoch sämtlich auf den Ursprungsbegriff rückbeziehen lassen. In den Theoriediskursen der Nationalökonomie und der Geographie des 19. Jh.s spielt der Begriff der Einwohnerd. (anfangs bezeichnet als ‚Dichtigkeit‘) eine große Rolle. Als ↗ Metapher für das zunehmend mit nationalen und völkischen Inhalten angereicherte Verhältnis von ‚↗ Volk zu ↗ Raum‘ gebraucht etwa Friedrich Ratzel (1844–1904) D. als zentrale Kategorie im zweiten Teil seiner Anthropogeographie von 1891 über die Geographische Verbreitung des Menschen. Im geopolitischen Kontext Anfang des 20. Jh.s wird D. vermehrt als ‚Volksdichtigkeit‘ bezeichnet und in das auf An Essay on the Principle of Population as it Affects the Future Improvement of Society von Robert Malthus (1766–1834) zurückgehende Konzept der Über- bzw. Unterbevölkerung sowie in die daraus abgeleitete Theorie der ↗ Geopolitik ‚enger (↗ Enge) ↗ Räume‘ eingebunden (Haushofer 1979). In der sich Ende des 19. Jh.s bildenden Soziologie wird D. dagegen von Émile Durkheim (1858–1917) in seiner Arbeit De la division du travail social von 1895 als zentrale Ursache für gesellschaftlichen Fortschritt konzipiert, also mit einer deutlich positiven Wertung hinterlegt. Auch in den eher sozialreformerisch orientierten Diskursen der Volkswirtschaftslehre wird eine hohe D. in dieser Zeit als positives Merkmal bzw. als positive Wirkungen hervorbringende Ursache (↗ Kausalität) gebraucht (↗ Kapital). Im Städtebau (↗ Stadt) und in der Raumplanung (↗ Planung) wird D. im 20.Jh. zu einer wichtigen Kategorie, dort v.a. als Kriterium und Metapher für die negativen Auswüchse der bestehenden Großstadt (Baumeister 1911; Stein 1867). In den Planungsdisziplinen wird daher stets an Möglichkeiten der Beschränkung von D. gearbeitet (↗ Tragfähigkeit, ↗ zentrale Orte) und es werden städtebauliche Gegenbilder wie ‚Weiträumigkeit‘ oder die ‚aufgelockerte Stadt‘ (↗ Gliederung) konzipiert. Während in den volkswirtschaftlichen und geographischen Debatten nach dem Zweiten Weltkrieg die Beschäftigung mit dem Konstrukt D. nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, wird in der Stadtsoziologie die D.debatte bis heute weiter geführt; so etwa bei Helmuth Berking (2008), insbesondere anhand der Rezeption von (und der Kritik an) dem Essay des US-amerikanischen Soziologen Louis Wirth (1897–1952) Urbanism as a Way of Life von 1938, wobei D. neben Größe und Heterogenität als ein ‚Stadt‘ konstituierender Baustein verwendet wird. Auch im Städtebau wird dem Konstrukt bis heute eine immense Bedeutungbeigemessen (Häußermann 2007). Die Relevanz von D. für den Städtebau lässt sich v.a. dadurch erklären, dass mit dem Konstrukt sowohl auf der analytischen als auch auf der anwendungsorientierten Ebene zwischen der sozialen (heute zunehmend auch: ökologischen) Zielebene und dem (vermeintlichen) disziplinären (räumlichen) Einfluss- und Wirkungsbereich vermittelt wird.

Literatur: Heidemann 1975; Roskamm 2010; Saunders 1987.

Baumeister, Reinhard (1911): Bauordnung und Wohnungsfrage, Berlin.

Berking, Helmuth (2008): Skizzen zur Erforschung der Stadt und der Städte, in: Die Eigenlogik der Städte, hg. v. dems. u. M. Löw, Frankfurt a. M., 15–31.

Haushofer, Karl (1979): Geopolitische Grundlagen, in: ders.: Leben und Werk, Bd. 1, Boppard a. R., 558–605 [1934].

Häußermann, Hartmut (2008): Phänomenologie und Struktur städtischer Dichte, in: Städtische Dichte, hg. v. V. M. Lampugnani, T. K. Keller und B. Buser, Zürich, 19–31.

Heidemann, Claus (1975): Städtebauliche Verdichtung, Dortmund.

Roskamm, Nikolai (2010): Das Konstrukt Dichte und die europäische Stadt, in: Die Zukunft der europäischen Stadt, hg. v. O. Frey u. F. Koch, Wiesbaden, 71–85.

Saunders, Peter (1987): Soziologie der Stadt, Frankfurt a.M. [1981].

Stein, Lorenz von (21882): Das Gesundheitswesen, Stuttgart [1867].

Nikolai Roskamm

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