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Delirium

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Der Begriff D. (von lat. lira, für ‚Furche‘, de-lirare, ‚aus der Furche geraten‘ oder ‚Irresein‘) bezeichnet im medizinischen Sinne ein hirnorganisches Syndrom, das mit Störungen des Schlafes, der Aufmerksamkeit, der Psychomotorik und der ↗ Wahrnehmung von Raum einhergeht, plötzlich auftritt und einen fluktuierenden Verlauf aufweist. Im Architekturkontext wird der Begriff D. v.a. durch Rem Koolhaas’ 1978 erscheinendes Buch Delirious New York verbreitet. Im Unterschied zum medizinischen D., das stets mit dem Verlust von räumlicher ↗ Orientierung einhergeht, steht das von Koolhaas (1999, 85) anhand von Manhattan beschriebene urbanistische D. für Orientierungsgewinn durch die zwischen 1890 und 1940 vollzogene Geburt hoch aufragender, Fernsicht ermöglichender Wolkenkratzer (↗ Stadt) aus dem Geiste des Unbewussten (↗ Unterbewusstsein): „Es gibt kein Manifest, keine Doktrin, kein Gesetz, keine ↗ Planung, keine Ideologie, keine ↗ Theorie. Es gibt bloß – Wolkenkratzer“. Diese Epoche kulminiert laut Koolhaas (ebd., 140) in der Architektur des 1930/31 erbauten Empire State Building, das gleichsam delirierend durch „die wollüstige Hingabe aller Beteiligten – vom Buchhalter bis zum Klempner –“ errichtet wird. Dass das D. nicht nur im Unbewussten verbleiben muss, sondern auch über das Potenzial einer bewussten Ausbeutung des Wahnsinns verfügt, macht Koolhaas im Rückgriff auf Salvador Dalís (1904–1989) surrealistische Technik der ‚paranoischkritischen Methode‘ deutlich: Mit dieser soll laut Koolhaas (ebd., 256) ein künstlerisch ertragreiches „Interpretationsd.“ entfesselt werden. Koolhaas‘ spekulative Dokumentation der Stadtentwicklung von Manhattan, die selbst mithilfe der paranoisch-kritischen Methode geschrieben wird, ist ein Produkt jener allgemeinen kulturellen Entwicklung, mit der im Laufe des 20.Jh.s die ↗ Grenzen zwischen psychisch krank und gesund in Frage gestellt sowie der Wahnsinn – und damit auch das D. – vergesellschaftet wird (Porter 2007, 192).

Literatur: Porter 2007.

Koolhaas, Rem (1999): Delirious New York, Aachen [amerik. 1978].

Porter, Roy (2007): Wahnsinn, Frankfurt a.M. [engl. 2002].

Stephan Trüby

Lexikon Raumphilosophie

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