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Diskurs

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Der Begriff D. (von lat. discursus, für ‚Mitteilung‘, ‚Erörterung‘ bzw. discurrere, für ‚durchlaufen‘, ‚hin und her laufen‘) hat einen Bedeutungswandel durchlaufen und wird in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich verwendet. Der Gebrauch von D. als Gespräch, Konversation und Abhandlung ist zu differenzieren von D. als transphrastischer ↗ Einheit im Sinne von ↗ Text. Der Sozialphilosoph Jürgen Habermas (1992, 137ff.) versteht unter einem D. – vereinfacht ausgedrückt – argumentative Kommunikation (↗ Kanal) in einem bestimmten öffentlichen ↗ Raum nach Regeln und Bedingungen, die einen Konsens ermöglichen. Zum Beispiel ist der D. am runden ↗ Tisch aus diesem Ansatz hervorgegangen. Der französische Literaturwissenschaftler Gérard Genette grenzt, in den drei Bänden seines zwischen 1966 und 1972 erscheinenden Hauptwerkes Figures, den narrativen D., als geäußerte ↗ Erzählung, von der Ebene der ↗ Ereignisse, über die berichtet wird, sowie von der Ebene des Aktes (↗ Performanz) der ↗ Produktion der Erzählung ab, was eine Unterscheidung zwischen dem dargestellten Raum (↗ Szene) im Text und der Räumlichkeit von Texten (↗ Schrift) ermöglicht. Nach Genette (1994, 22) „existiert die schriftliche Erzählung im Raum (↗ In-sein) und als Raum, und die ↗ Zeit, die man braucht, um sie zu ‚konsumieren‘, ist die, die man braucht, um sie zu ‚durchlaufen‘ oder zu ‚durchmessen‘ (↗ Metrik) – wie eine ↗ Straße oder ein ↗ Feld“. Der deutsche Literaturwissenschaftler Jürgen Link (1979, 282) unterscheidet zwischen den generellen, von der Gattung geprägten Regeln des Genotextd.es, und den konkreten des Phänotextd. es, wobei der Übergang fließend ist. Zu nennen ist darüber hinaus der Gebrauch von D. als Menge formal oder funktional zusammengehöriger Texte im Sinne einer textübergreifenden ↗ Struktur sowie der von Michel Foucault (1926–1984) geprägte und in seiner 1970 gehaltendenen Antrittsvorlesung L’ordre du discours eigens thematisierte D.begriff. Mit diesem wird ebenfalls eine – die einzelnen Äußerungseinheiten (↗ Ausdruck) übergreifende – kommunikative Strukturgröße bezeichnet, wobei D. nach Foucault (1981) auf das in der ↗ Sprache aufscheinende Verständnis von Wirklichkeit bezogen ist oder auf die Definition deren Regeln (↗ Ordnung) für einen bestimmten thematischen Raum. Der D. ist somit der sprachliche Bestandteil einer diskursiven ↗ Praxis, die auch nichtsprachliche Aspekte (↗ Dispositiv) umfasst. Dem entgegen steht das Raumverständnis nach Immanuel Kant (1724–1804) in der Kritik der reinen Vernunft von 1781, wonach Raum kein diskursiver Begriff ist (A 24/B 39), sondern apriorisch – also reine ↗ Anschauung – jeder ↗ Wahrnehmung und ↗ Erfahrung vorhergehend bzw. jede begleitend, und deshalb auch nicht im D. erzeugt bzw. dem Wortsinn von D. nach empirisch ‚durchlaufen‘ (↗ Spazieren) werden kann.

Literatur: Glasze/Mattissek 2009; Mills 2007; Warnke/Spitzmüller 2008.

Foucault, Michel (1981): Archäologie des Wissens, Frankfurt a.M. [frz. 1969].

Genette, Gérard (1994): Die Erzählung, München [frz. 1966–1972].

Glasze, Georg/Mattissek, Annika [Hg.] (2009): Handbuch Diskurs und Raum, Bielefeld.

Habermas, Jürgen (1992): Faktizität und Geltung, Frankfurt a. M.

Link, Jürgen (21979): Literaturwissenschaftliche Grundbegriffe, München.

Mills, Sara (2007): Der Diskurs, Tübingen.

Warnke, Ingo/Spitzmüller, Jürgen [Hg.] (2008): Methoden der Diskurslinguistik, Berlin.

Michael Bender

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