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Blase
ОглавлениеEine Phänomenologie der B.n verfolgt Peter Sloterdijk im ersten Teil seines dreibändigen Werkes Sphären von 1998, das sich in den weiteren Teilen mit ↗ Globen und ↗ Schäumen befasst. Alle drei Bände sind über eine ↗ Morphologie der ↗ Kugel oder des Runden miteinander verbunden: Sphären (↗ Atmosphäre) bilden für Sloterdijk (1998, 28) „das innenhafte, erschlossene, geteilte Runde, das Menschen bewohnen“. Er rekonzeptualisiert damit das von Martin Heidegger (1889–1976) in Sein und Zeit entfaltete ‚In-der-Welt-sein‘ (↗ In-sein) des ↗ Menschen (§§12ff.) als ein In-Sphären-sein. Mit den B.n oder ‚Mikrosphären‘ entwirft Sloterdijk in einer eigenen Terminologie eine verräumlichende (↗ Räume) Anthropologie der ↗ Intimität, die den Menschen – angelehnt an die Aristophanes (ca. 450–ca. 380 v. Chr.) durch Platon (427–347 v. Chr.) im Symposion (189c–193d) zugeschriebene Vorstellung vom Kugelmenschen – als eine Kugel mit zwei Epizentren oder „elliptische B.n“ (Sloterdijk 1998, 571) begreift. In Abgrenzung von Konzeptionen des Menschen als einzelnes, allein auf sich selbst geworfenes Individuum, etwa als ↗ Monade bei Gottfried W.Leibniz (1646–1716) oder im Spiegel-Stadium (↗ Imaginäres) nach Jacques Lacans (1901–1981) psychoanalytischem Modell, steht hier der Mensch als ein Wesen, das seit seinem Heranwachsen im Mutterleib (↗ Matrix) in dyadischen, ‚konsubjektiven‘ Kommunikationsverhältnissen (↗ Kanal) lebt. B.n bezeichnen diese „bipolaren Intimsphären“ (ebd., 549), sie bilden einen zwischenmenschlichen Beziehungsraum, in dem sich ‚Resonanz‘ (↗ Klangraum) durch wechselseitiges Aufeinandereinwirken entfaltet, das symmetrisch (↗ Symmetrie) oder asymmetrisch (↗ Dissymmetrie) verlaufen kann. Dadurch entstehen mikrosphärische Innenräume (↗ Innen), die Sloterdijk phänomenologisch durch die Kulturgeschichte verfolgt, wie die Symbiose zweier Herzen als ‚Interkordialraum‘, die Intimität des ↗ Blickes als ‚Interfazialsphäre‘, magische Bindekräfte (↗ Fernwirkung) als ‚Nähe-Faszination‘ (↗ Ferne) oder die Resonanz der Stimme als ‚Sonosphäre‘ (↗ Lautsphäre). Im zweiten Teil weitet Sloterdijk (1999) die ‚Mikrosphärologie‘ der B.n zur ‚Makrosphärologie‘ als einer Theorie der ↗ Globalisierung seit der Antike aus, im dritten Teil entwickelt Sloterdijk (2004) eine Theorie der Gegenwart, in der die räumliche Metapher des ‚Schaums‘ für die pluralen, vernetzten und heterarchischen Aspekte des Lebens steht.
Literatur: Dobeneck 2006; Oliveira 2009.
Dobeneck, Holger von (22006): Das Sloterdijk-Alphabet, Würzburg.
Oliveira, Carlos (2009): Sphärische Vernunft, in: Die Vermessung des Ungeheuren, hg. v. M. Jongen, S. v. Tuinen u. H. Koenraad, München, 80–94.
Sloterdijk, Peter (1998): Blasen, Frankfurt a. M.
Ders. (1999): Globen, Frankfurt a. M.
Ders. (2004): Schäume, Frankfurt a. M.
Björn Weyand