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Beschleunigung

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In der Physik steht der Begriff B. für die zeitliche Änderung der Geschwindigkeit eines Körpers durch eine einwirkende Kraft. Entsprechend dazu wird negative B. als Verzögerung gefasst. Die Grundeinheit für B. beim freien Fall im Gravitationsfeld (↗ Kraft) der ↗ Erde wird mit g = 9,81 m/s2 angegeben. Die Temporalstrukturen der Moderne stehen im Zeichen der B. von ↗ Prozessen und ↗ Ereignissen. Carl Schmitt (1888–1985) thematisiert in seinem Essay Land und Meer von 1942 die „planetarische Raumrevolution (↗ Wende)“ (Schmitt 1981, 54) der sukzessiven Eroberung von Land (↗ Landmacht), ↗ Meer und ↗ Luft durch neue Verkehrs- (↗ Straße) und Nachrichtenmittel (↗ Kanal), geht aber von der Beschreibung neuer räumlicher Maßstäbe (↗ Metrik) noch nicht zur zeitlichen Komponente der B. über. Mit dem Begriff der Verdichtung von Raum und Zeit erweitert der amerikanische Geograph David Harvey in The Condition of Postmodernity von 1989 die Analyse der B. wirtschaftlicher (↗ Konsum) und sozialer Prozesse: Die Kompression der ↗ Raumzeit steht im Zentrum der kapitalistischen Modernisierung und revolutioniert die vormals als unwandelbar gesehenen ↗ Formen der ↗ Anschauung. Aus einer marxistischen Haltung heraus entwirft Harvey (1994) die Perspektive einer Erneuerung des Projektes der Aufklärung der menschlichen Emanzipation im globalen Raum (↗ Globalisierung) durch neue Mittel der Kommunikation und der sozialen Beziehungen (↗ Sozialraum). Harvey thematisiert nicht die B., sondern deren Effekte als Annullierung des Raums, die zugleich neue ↗ Räume für Transport, Kommunikation und Besiedlung (↗ Nomadismus) und damit neue Freiheitsräume eröffnen. Eine katastrophentheoretische Radikalisierung der B. unternimmt der französische Architekt und Philosoph Paul Virilio (1980, 177): Er stellt der „Destruktionsmacht des Feuers“ die „Penetrationsmacht der ↗ Bewegung“ zur Seite und beschreibt die Raumschrumpfung durch Geschwindigkeit als ↗ Verschwinden. Topologisch (↗ Topologie) hat der „↗ Nicht-Ort der Geschwindigkeit“ (Virilio 1978, 32) den Ort ebenso abgelöst wie chronologisch der ‚Zeitbesitz‘ die territoriale ↗ Aneignung. Mit seiner neuen Disziplin der ‚Dromologie‘ verfolgt Virilio den Anspruch, disparate Bereiche wie Kriegstechnik (↗ Schlacht), ↗ Kunst, Medientheorie (↗ Medium) und philosophische Ästhetik (↗ Wahrnehmung) zu verklammern und in eine allgemeine Verkehrswissenschaft zu überführen.

Literatur: Asendorf 1997; Rosa 2005.

Asendorf, Christoph (1997): Super Constallation, Wien.

Harvey, David (1994): Die Postmoderne und die Verdichtung von Raum und Zeit, in: Philosophische Ansichten der Kultur der Moderne, hg. v.A. Kuhlmann, Frankfurt a. M., 48–78 [1989].

Rosa, Hartmut (2005): Beschleunigung, Frankfurt a. M.

Schmitt, Carl (31981): Land und Meer, Stuttgart [1942].

Virilio, Paul (1978): Fahrzeug, in: ders.: Fahren, fahren, fahren …, Berlin, 19–50 [frz. 1975].

Ders. (1980): Geschwindigkeit und Politik, Berlin [frz. 1977].

Michael Mönninger

Lexikon Raumphilosophie

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