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Autochthone
ОглавлениеDas Wort A. bezeichnet Ureinwohner oder Alteingesessene. Auch Gestein, Pflanzen oder Tiere, die sich am ↗ Ort ihrer Entstehung befinden, heißen in Biologie oder ↗ Geographie ‚autochthon‘. Das Wort ist gebildet aus gr. auto für ‚selbst‘ und gr. chton für ‚↗ Erde‘, ‚Erdreich‘, ‚Land‘ und wird für Lebewesen und natürliche Dinge verwendet, während das gleichbedeutende Wort ‚chthonisch‘, von gr. chthonios, die erdgeborenen oder unterirdischen Götter im griechischen ↗ Mythos bezeichnet. Erwin Rohde (1845–1898) zählt sie zu den ältesten Gottesvorstellungen einer sesshaften, Ackerbau treibenden Bevölkerung (↗ Nomadismus). Nach Rhode (1991, 204–215) hausen sie in der Erde, sorgen für die Fruchtbarkeit des ↗ Feldes und nehmen die Seelen der Toten (↗ Tod) auf. Später ist chthónios Beiwort der olympischen Götter und wo von ‚Zeus Chthonios‘ die Rede ist, ist Hades (↗ Hölle) gemeint. Charakteristisch aber ist ↗ Gaia oder ‚Ge‘ als chthonische ↗ Kraft, die später in den Gestalten von Demeter und Persephone fortwirkt. Ge spielt auch eine Rolle in der Kosmogonie des Pherekydes aus dem 6. Jh. v. Chr., den Aristoteles (384–322 v. Chr.) in seiner Metaphysik zu den Ersten zählt, die von den Urprinzipien nicht mehr in der Sprache des Mythos sprechen (109b8). Bei Pherekydes zählt Chthonia mit Zas und Chronos zu den drei ewigen oder Urprinzipien. Er berichtet von einer Hochzeit zwischen Zas und Chthonia, bei der Zas ihr ein selbst gewebtes Gewand überreicht, das den gesamten Erdkreis mit Okeanos als ↗ Saum darstellt. Durch dieses Gewand wird Chthonia zur Erde selbst. Pherekydes erzählt auch von einer Götterschlacht und dass der Tartaros zum unterirdischen Verließ für frevelnde Götter wird. Ein ähnlicher Kampf zwischen olympischen und chthonischen Göttern, die Gigantomachie, ist nach der Überlieferung auf dem Peplos der Stadtgöttin Athene dargestellt: Die Athener nennen sich A. und leiten ihr Geschlecht von dem erdgeborenen Stammvater Erechtheus ab. Erdgeborene haben einen schlangenartigen Unterleib und leben fußlos wie Würmer, halb auf, halb unter der Erde (↗ Flächenland). In Platons (427–347 v. Chr.) Dialog Politikos wird der Mythos von den Erdgeborenen als Geschichte eines Menschengeschlechtes ohne geschlechtliche Fortpflanzung erzählt (271a–272c).
Literatur: Kratzert 1998, 28–31; Schibli 1990.
Kratzert, Thomas (1998): Die Entdeckung des Raums, Amsterdam/Philadelphia.
Rohde, Erwin (1991): Psyche, Darmstadt [1898].
Schibli, Hermann S. (1990): Pherekydes of Syros, Oxford.
Ellen Harlizius-Klück