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Der Begriff A. bezeichnet den Wechsel von einem realen ↗ Ort an einen anderen bzw. in einen utopischen (↗ Utopie) ↗ Raum, der sich jedoch auf einen realen Ort beziehen kann. Der jüdisch-christliche Prototyp eines solchen A.es ist der sog. Exodus (von gr. exodus, für ‚A.‘) des ↗ Volkes Israel in das Gelobte Land (↗ heiliges Land). Es verlässt das Sklavenhaus (↗ Haus) Ägypten und beginnt einen vierzigjährigen ↗ Weg durch die ↗ Wüste. Unabhängig von der historischen Wirklichkeit, mit welcher diese biblische Konstruktion nicht identisch sein dürfte (Finkelstein/Silberman 2004), hat der A. aus Ägypten im Laufe der ↗ Geschichte immer wieder sozialutopische Bewegungen (↗ Wende) inspiriert und dabei diskursive (↗ Diskurs) ↗ Macht auch in säkularen Zusammenhängen entwickelt. Der Sozialphilosoph und Utopietheoretiker Ernst Bloch (1885–1977) spricht z.B. von einem „Exodusarchetyp“ (Bloch 1990, 1453), dessen Geschichtsformat er als „subversive, eschatologische Finalwelle“ (Bloch 1968, 24) dialektisch (↗ Dialektik) fasst: „Die Frohbotschaft des Alten Testaments läuft gegen den Pharao und schärft an diesem Gegensatz ihre beständige Utopie der Befreiung“ (Bloch 1990, 1464). Die Fackel der Aufklärung ist für Bloch ein säkularisiertes „Exoduslicht“ (Bloch 1968, 125). Formal betrachtet, lässt sich der A. mit Victor W. Turner (1920–1983) als der Eintritt in einen liminalen Raum (↗ Schwelle) bezeichnen (Meyers 2005). Dieser markiert einen ↗ Übergang (gr. pascha), der auch im Fall der biblischen Erzählung mit einem Passageritus (↗ Passage), dem im Buch Exodus überlieferten Pascharitual (Ex 12,1–13), verbunden ist und auf dem Weg ins Land der Verheißung eine „Communitas“ (Turner 2005, 96) entstehen lässt, welche den Turbulenzen des Liminalen (Ex 32,1–35) ausgesetzt ist und sich über religiöse Exklusionen (↗ Ausschluss) definiert. Jan Assmann (Assmann 2000, 17) sieht in der „mosaischen Unterscheidung“ von wahrer und falscher Religion sogar den Keim jeder religiösen Gewalt (↗ Kampf). Im biblischen Narrativ führt der Exodus zur Verdrängung (↗ Ausdehnung) der Bewohner des Landes Kanaan. Einen zusätzlichen Schatten auf den A. als geschichtsphilosophische (↗ Ende) Befreiungsutopie wirft der weitere Fortgang der alttestamentlichen ↗ Erzählung (Zerfaß 2000): Diese berichtet von einem zweiten A. des Volkes (2 Kön 25,8–26 u. 2 Chr 36,17–21), diesmal jedoch in die Gefangenschaft des Babylonischen ↗ Exils, das keine in die Zukunft projizierte Utopie möglicher (↗ Möglichkeit) Wirklichkeiten darstellt, sondern eine ↗ Heterotopic wirklicher Möglichkeiten eines geschichtlich ambivalenten Ortswechsels im Wechselspiel von Herrschaft und Knechtschaft.

Literatur: Meyers 2005; Zerfaß 2000.

Assmann, Jan (2000): Moses der Ägypter, Frankfurt a. M.

Bloch, Ernst (1990): Das Prinzip Hoffnung, Frankfurt a. M.

Ders. (1968): Atheismus im Christentum, Frankfurt a. M.

Finkelstein Israel/Silberman Neil A. (2004): Die archäologische Wahrheit über die Bibel, München [amerik. 2001].

Meyers, Carol (2005): Exodus, Cambridge.

Turner, Victor (2005): Das Ritual, Frankfurt a. M. [engl. 1969].

Zerfaß, Rolf (2000): Das Volk Gottes auf dem Weg in die Minderheit?, in: Katechetische Blätter 125, 42–52.

Christian Bauer

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