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Politische Relevanz erhält der Begriff A. zunächst in der Philosophie der ↗ Differenz von Gilles Deleuze (1925–1995). Im Rekurs auf das repräsentationskritische Denken Baruch de Spinozas (1622–1677) verweist A. (frz. expression) in Spinoza et le problème de ↗ expression von 1968 nach Deleuze (1993) auf eine innere ↗ Kraft, in der sich ein Begehren nach neuen, körperaffinen ↗ Formen des Sozialen (↗ Sozialraum) artikuliert. Im Kontext der Diskurs- und Hegemonietheorie von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe wird A. zur zentralen Denkfigur einer elaborierten Theorie des Politischen. Dort meint A. die Herstellung einer Verbindung zwischen verschiedenen ↗ Elementen mit dem Ziel (↗ Ende), einen wirklichkeitskonstituierenden ↗ Diskurs zu festigen oder in Frage zu stellen. Marxistische und poststrukturalistische Perspektiven integrierend, entwerfen Laclau und Mouffe in Hegemony and socialist strategy von 1985 das Modell eines diskursiven ↗ Feldes als eines umfassenden Bedeutungshorizontes ↗ Horizont), innerhalb dessen Dingen, Institutionen und Subjekten durch Diskursbildung ein spezifischer ↗ Sinn zugeschrieben wird. Historisch kontingent, fußen solche Sinnzuschreibungen nicht auf notwendig fest determinierten gesellschaftlichen ↗ Strukturen, sondern sind Ergebnis machtimprägnierter Aushandlungsprozesse, innerhalb derer antagonistische Gruppen mittels A.s (engl. articulation) um die immer nur punktuell mögliche ↗ Fixierung einer symbolischen ↗ Ordnung streiten. Die Herstellung von Identität ist demnach für Laclau und Mouffe (1991) ein konstruktiver ↗ Prozess, der sich als Artikulation, d.h. als bedeutungszuweisende Relationierung (↗ Relation) verschiedener Sinnelemente realisiert. Identität ist dementsprechend das Ergebnis politischer Deutungskämpfe um die Besetzung der hegemonialen Stelle (↗ Macht) innerhalb der diskursiven Konkurrenz. Dort, wo die klassische marxistische Theoriebildung (↗ Kapital) Aspekte kultureller Dominanz auf dem vertikalen Schema von Basis und Überbau reflektiert, verlagern Laclau und Mouffe die Analyse auf eine horizontale Ebene, indem sie einen konfliktorischen und nie abschließbaren Prozess der artikulatorischen Formation, Deformation und Reformation von Bedeutungssequenzen annehmen. Zentral sind Praktiken (↗ Praxis) der Grenzziehung (↗ Grenze) zwischen dem, was als gesellschaftlich legitim gilt und dem, was als bedrohliche Infragestellung der Ordnung diskriminiert wird: Identitätsbildende Diskurse folgen nach innen (↗ Innen) einer Logik der Differenzbildung (z.B. das demokratische Parteienspektrum), während sie nach außen (↗ Außen) die Abgrenzung durch eine die inneren Unterschiede (↗ Differenz) nivellierende ↗ Logik der Äquivalenz herstellen (z.B. Demokratie vs. Diktatur). Insofern die Diskurstheorie von Laclau und Mouffe nach der Genese und Reichweite solcher diskursiver Grenzverläufe (↗ Linie) fragt, weist sie eine zeitliche (↗ Zeit) und räumliche Perspektive auf, die die Gesellschaft in ihrem politisch umkämpften Transformationsprozess zu beschreiben erlaubt. Analytische Anschlüsse von Aletta J. Norval (1996) und Yannis Stavrakakis (2000) fokussieren dementsprechend Artikulationsprozesse, in denen sich in historisch konkreten Situationen Hegemonie, die Zuweisung von spezifischen Subjektpositionen (↗ Position) und somit die Konstruktion kollektiver Identität realisieren.

Literatur: Glasze/Mattissek 2009, 153–179; Marchart 2010, 185–220.

Deleuze, Gilles (1993): Spinoza und das Problem des Ausdrucks in der Philosophie, München [frz. 1968].

Glasze, Georg/Mattissek, Annika (2009): Die Hegemonieund Diskurstheorie von Laclau und Mouffe, in: Handbuch Diskurs und Raum, hg. v. dens., Bielefeld, 153–179.

Laclau, Ernesto/Mouffe, Chantal (1991): Hegemonie und radikale Demokratie, Wien [amerik. 1985].

Marchart, Oliver (2010): Die politische Differenz, Frankfurt a.M.

Norval, Aletta J. (1996): Deconstructing Apartheid Discourse, London.

Stavrakakis, Yannis (2000): On the Emergence of Green Ideology, in: Discourse Theory and Political Analysis, hg. v. D. R. Horwath, A. J. Norval u. dems., Manchester/New York, 100–118.

Lars Koch

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