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Bann
ОглавлениеB., ein Begriff aus dem altgermanischen Recht, dessen Anfänge jedoch schon in der Bibel zu finden sind, konstituiert einen paradoxalen politisch-juristischen ↗ Raum: zum einen im juristischen Sinne als Eröffnung eines Gerichtsverfahrens gegen denjenigen, der eine Übertretung (↗ Überschreitung) begangen hat, zum anderen im Sinne der Ausschließung (↗ Ausschluss), entweder aus der ↗ Gemeinschaft der Rechtsgenießenden oder aus der christlichen Gemeinschaft als Exkommunikation. Die Ambivalenz des Begriffes hat damit zu tun, dass es um den Bezirk (↗ heilige Raum) oder den Raum geht, auf welchen die Gewalt des Richters oder des Rechtes sich erstreckt – wie z.B. am mhd. Begriff ‚B.forst‘ deutlich wird, der einen jungen ↗ Wald meint, der nicht betreten werden soll –, und gleichwohl geht es um eine Ausschließung aus der Sphäre des bürgerlichen Rechtes selbst; so z.B. wenn im Buch Josua (7,15) geschrieben steht, dass derjenige, welcher verbannt wird, verbrannt werden soll. Im altgermanischen ↗ Wissen ist z.B. der Werwolf, der eine Zone der Ununterschiedenheit zwischen ↗ Mensch und Tier besetzt, aus der Gemeinschaft verbannt und wird dadurch sowohl aus dem Raum des Rechtes ausgeschlossen als auch in seiner ↗ Macht eingeschlossen. Giorgio Agamben (2002, 119) nennt B. die „originäre politische Beziehung“, denn B. beschreibt den topologischen (↗ Topologie) ↗ Prozess, durch den das ‚nackte‘ Leben zugleich eingeschlossen und ausgeschlossen wird, d.h. innerhalb, jedoch auch außerhalb des Gesetzes steht und sich so in der ↗ Ordnung der Souveränität befindet. Agamben zufolge geht es um einen Raum, der sich als ein Mengendiagramm (↗ Diagramm) vorstellen lässt, wo jemand ausgeschlossen, jedoch auch eingeschlossen wird. B. bezieht sich auf Verlassenheit (ital. abbandono), im Sinne einer „einschließende [n] Ausschließung“ (ebd., 18), weil derjenige, der verbannt wird, sich selbst überlassen und dadurch in der Macht der Souveränität eingeschlossen ist. Dem B. entspricht eine „↗ Zone der Ununterschiedenheit“ (ebd., 14) zwischen ↗ Außen und ↗ Innen, wo sich die souveräne Macht (↗ Nahme) entfaltet, und deshalb ist B. als eine räumliche ↗ Metapher für die paradoxe ↗ Struktur der Politik in der Moderne zu verstehen.
Literatur: Geulen 2005; Hebekus et al. 2004; Jhering 1954; Menke 2003.
Agamben, Giorgio (2002): Homo sacer, Frankfurt a. M. [ital. 1995].
Geulen, Eva (2005): Giorgio Agamben zur Einführung, Hamburg.
Hebekus, Uwe/Matala de Mazza, Ethel/Koschorke, Albrecht [Hg.] (2004): Das Politische, München.
Jhering, Rudolf von (1954): Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Bd. 1, Basel [41878].
Menke, Bettine (2003): Die Zonen der Ausnahme, in: Politische Theologie, hg. v. J. Brokoff u. J. Fohrmann, Paderborn, 131–152.
Jason Kavett