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Axiomatik
ОглавлениеDie A. ist eine Methode des Aufbaues einer ↗ Theorie mittels Axiomen (gr. axiomata). Als Axiom wird eine Aussage bezeichnet, die als evident gilt und daher keines Beweises bedarf bzw. bei der, wie Aristoteles (384–322 v. Chr.) in seiner Metaphysik (1005b) schreibt, keine Täuschung möglich ist. Aus Axiomen werden deduktiv (↗ Deduktion) weitere Aussagen abgeleitet und eine gültige Theorie aufgebaut. Für Immanuel Kant (1724–1804) sind laut Kritik der reinen Vernunft von 1781 Axiome synthetische Urteile a priori, sofern sie unmittelbar gewiss sind (A 732/B 761). Erstmals in Euklids (ca. 360–ca. 280 v. Chr.) um 325 v. Chr. entstandenem Buch Stoicheia für die ↗ Geometrie dokumentiert, wird die A. als sog. geometrische Methode (lat. mos geometricus) zum ↗ Weg exakten wissenschaftlichen Denkens (↗ Logos) überhaupt. David Hilberts (1862–1943) Schrift über die Grundlagen der Geometrie von 1899 ändert die Auffassung von A. grundlegend: Axiome sind frei wählbar, sofern sie untereinander widerspruchsfrei und voneinander unabhängig sowie alle gültigen Aussagen aus ihnen ableitbar sind (Vollständigkeit). Während sich die griechische Arithmetik der Antike aufgrund ihrer diskreten und dualistischen Struktur leicht formal begründen lässt, ist dies für die Geometrie als Raumlehre ein Problem: Nach Platons (427–347 v. Chr.) Dialog Timaios (52b) kann der Mensch vom Raum (↗ Chora) nur ein Bastardwissen haben, das zwischen sinnlicher ↗ Wahrnehmung und der Erkenntnis unvergänglichen ↗ Wissens steht. Euklids A. löst dieses Problem durch Postulate, die die Existenz konstruktiver Lösungen einfordern und begründet so den Zusammenhang von formalem Denken und physischem Raum (↗ Physik). Als durch die ↗ Nichteuklidik deutlich wird, dass sich auch ohne bestimmte Postulate Euklids (↗ Euklidik) logisch korrekte Geometrien aufbauen lassen, wird dieser Zusammenhang wieder problematisch. Hilbert ersetzt die Evidenzbedingung der A. durch syntaktische Konsistenz und Wahrheit kann nur noch an einem Modell entschieden werden, das die Axiome interpretiert: Die Mathematik arbeitet nunmehr am Zusammenhang der Begriffe und nicht am Zusammenhang der Dinge. Diesen Zustand hat Edmund Husserl (1859–1938) als sinnentleerte ↗ Situation kritisiert und die Enthüllung des historischen Apriori der Geometrie zum Programm gemacht (↗ Protogeometrie).
Literatur: Becker 1954, 87–105; Szabó 1969.
Becker, Oskar (1954): Grundlagen der Mathematik, Freiburg i. Br./München.
Szabó, Árpád (1969): Anfänge des euklidischen Axiomensystems, in: Zur Geschichte der griechischen Mathematik, hg. v. O. Becker, Darmstadt, 355–461 [engl. 1960].
Ellen Harlizius-Klück