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Außen
ОглавлениеAls theoretischer Begriff wird das A. erstmals von Maurice Blanchot (1907–2003) in die Literaturwissenschaft eingeführt und bezeichnet einen leeren Raum (↗ Leere), welcher der Unterscheidung von Äußerlichkeit und Innerlichkeit sowohl vorausliegt als auch deren Disjunktion bildet. Blanchot geht davon aus, dass die ↗ Sprache in ihrer Seinsweise nur vor dem Hintergrund einer absolut unbestimmten ↗ Zone der ↗ Verstreuung jeglicher Zeichen gedacht und dargestellt werden kann. In radikalem Gegensatz zur Hermeneutik einerseits und zur Linguistik andererseits legt er in L’espace littéraire von 1955 sowie in L’entretien infini von 1969 den Grundstein zu einer ↗ Topologie der Sprache, die das A. als dreifachen Grenzraum (↗ Grenze) bestimmt. Zunächst fungiert es als das schlechthin Außerräumliche oder Grenzenlose, auf das hin alles Sprechen (↗ Performanz) insofern tendiert, als es im Schweigen der Stimme oder des ↗ Todes verstummt. Dann ist es das intensive ↗ Feld von ↗ Diagrammen, das die sprachlichen ↗ Differenzen verräumlicht, indem es sie innerhalb eines Bedeutungsgefüges (↗ Syntax) verteilt. Schließlich schreibt es sich zwischen den Worten als irreduzible Spalte (↗ Chaos) ein, die deren Anordnung zu einem stabilen ↗ Sinn immerzu aushöhlt. Im Einklang mit den Untersuchungen von Emmanuel Lévinas (1906–1995) zu einer Exteriorität des Anderen (Lévinas 1992, 375–395) sowie dem Werk des Schriftstellers Edmond Jabès (1912–1991), das diese zur ↗ Atopie innerhalb des Wortes selbst macht (Jabès (1989), stellt Blanchot (1991) das A. als eine ↗ Wüste dar, in deren als absolute Negativität (↗ Übergang) verstandene Leere die Abwesenheit (↗ Anwesenheit) von Sprache zu ihrem eigenen Erscheinungsort (↗ Ort) wird. Michel Foucaults 1966 veröffentlichter Text La pensée du dehors macht deutlich, inwiefern Letzteres die tiefe Verwandtschaft der Sprache mit dem ↗ Raum kennzeichnet, sofern es ihr darum geht, zu zeigen, „wie unsichtbar die Unsichtbarkeit des Sichtbaren“ ist (↗ Blick). Das A. lässt sich weder verinnerlichen noch demonstrieren, sondern kann einzig als Sprachlosigkeit erfahren werden, die vom desaströsen Einbrechen des A. in die Sprechenden selbst Zeugnis ablegt. Dergestalt bringen sie das A. als unerreichbares, jedoch konstitutives ↗ Innen ihrer selbst zum Ausdruck, was im Anschluss an Georges Bataille (1999) mit dem Begriff der ‚inneren ↗ Erfahrung‘ verdeutlicht wird. Zugleich das Entfernteste und Naheste, bildet das A. das exzentrische (↗ Ekstase) ↗ Zentrum jedes sprechenden Subjektes. Hieran anschließend fasst Gilles Deleuze (1925–1995) in seinem Kommentar zu Michel Foucault (↗ Heterotopologie) das A. als ↗ Nicht-Ort kontinuierlicher Variationen von ↗ Kräften, die sich in Formationen des ↗ Wissens und ↗ Strukturen der ↗ Macht verwirklichen (Deleuze 1987). Zugleich verdoppelt sich das A. in ein koextensives Innen, das nunmehr die ↗ Falte des Subjektes konstituiert. Das A. und das Innen bilden Deleuze zufolge eine ↗ topologische Figur oder ↗ Fläche. Auf ihr agieren die unbestimmten äußerlichen Kräfte, gemeinsam mit den daraus resultierenden Effekten von Innerlichkeit, ohne dass der ↗ Riss, der zwischen ihnen verläuft, geschlossen werden könne. Als ersten Philosoph, der das „Denken mit dem A. in Verbindung […][ge]setzt“ hat, macht Deleuze (2003, 371) jedoch Friedrich Nietzsche (1844–1900) aufgrund dessen aphoristischer (↗ Ritornell) Schreibweise (↗ Text) aus.
Literatur: Bürger 1992, 63–89; Derrida 1994; Foucault 2003; Gehring 1994; Lévinas 1988.
Bataille, Georges (1999): Die innere Erfahrung, München [frz. 1943/54].
Blanchot, Maurice (1991): Das Unzerstörbare, München [frz. 1955/69].
Bürger, Peter (1992): Das Denken des Herrn, Frankfurt a. M.
Deleuze, Gilles (1987): Topologie, in: ders.: Foucault, Frankfurt a. M., 67–172 [frz. 1986].
Ders. (2003): Nomaden-Denken, in: ders.: Die einsame Insel, Frankfurt a. M., 366–380 [frz. 1973].
Derrida, Jacques (1994): Gestade, Wien [frz. 1986].
Foucault, Michel (2003): Die Sprache des Raumes, in: ders.: Schriften zur Literatur, Frankfurt a.M., 168–174 [frz. 1964].
Gehring, Petra (1994): Innen des Außen – Außen des Innen, München.
Jabès, Edmond (1989): Vom Buch zum Buch, München.
Lévinas, Emmanuel (1988): Eigennamen, München [frz. 1976/87].
Ders. (1992): Jenseits des Seins, Freiburg i. Br. [frz. 1990].
Christian Driesen