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Bollwerk

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Das B. (span. baluarte) als Stützwand (↗ Mauer) eines Erdkörpers, deren Pfähle so tief in den ↗ Boden eingerammt und stark gemacht werden müssen, dass sie von der hinterfüllten ↗ Erde – besonders bei sumpfigem Untergrund (↗ Grund) – weder umgedrückt noch abgebrochen werden können, ist ein sprechendes Bild (↗ Metapher) für das psychoanalytische Konzept der franko-argentinischen Psychoanalytiker Madeleine und Willy Baranger (1922–1994). Mit B. bezeichnen sie einen spezifischen Widerstand im analytischen ↗ Prozess, den sie als dynamisches bipersonales ↗ Feld auffassen. Das B. ist eine gemeinsame Neubildung von Analytiker und Analysand. Es liegt dann vor, wenn das Hindernis im Feld aus unbewussten (↗ Unterbewusstsein) Anteilen sowohl des Analytikers wie des Analysanden besteht. Es dient als Rückzugsort (↗ Schutz) für wichtige Identifizierungen, die als unverzichtbar und nicht als Symptom erlebt werden. Baranger und Baranger (1961/62) übertragen das Feldkonzept von Kurt Lewin (1890–1947), wie es der argentinische Psychoanalytiker Enrique Pichon-Rivière (1907–1977) in die Psychoanalyse einführt und Elemente der Gestaltpsychologie (↗ Gestalt) in Anlehnung an Maurice Merleau-Ponty (1908–1961) verwendet, auf die analytische ↗ Situation. Sie greifen Sigmund Freuds (1856–1939) ↗ topologische Figuren auf, worin die beiden Protagonisten z.B. mit Schachspielern verglichen werden (Freud 1986, 453). Analytiker und Analysand agieren mittels einer gemeinsamen ↗ Struktur, dem Schachbrett zwischen ihnen: Der eine mit seinen Mitteilungen (↗ Kanal), seinen Widerständen, der andere mit seinen Deutungen. Treten massive Schwierigkeiten auf, kann die grundsätzliche Asymmetrie (↗ Dissymmetrie) verschwinden und die unbewusste Verbindung (↗ Relation) zwischen Analytiker und Analysand geht eine ungewollte Komplizenschaft ein, sie errichten ein B. gegen den analytischen Prozess. Wird die analytische Situation als ein fortschreitendes sich Kreuzen von projektiven Identifikationen verstanden, das die individuellen ↗ Grenzen periodisch verwischt, so wird bei einer stummen Komplizenschaft diese Dynamik gelähmt, verlangsamt oder kommt zum Stillstand (↗ Ruhe). Ein abgespaltener und isolierter Bereich mit Elementen beider Beteiligter entsteht, jenseits von Verbalisierung (↗ Sprache) und Durcharbeiten. Für das B. als Neuformation gilt: Es ist nicht die Summe (↗ Aggregat) der zwei inneren Zustände. Es ist etwas, was ↗ zwischen den beiden kreiert wird, innerhalb der Einheit, die sie im Moment der Sitzung konstituieren, etwas radikal Verschiedenes von dem, was jeder von ihnen getrennt voneinander ist. Als Neuformation gefasst, wirft das Konzept dann Fragen auf, wenn es mit dem Konzept der Übertragungsneurose im Sinne des Wiederholungszwanges zusammengedacht wird. José Bleger (1923–1972) verweist auf eines der brisantesten B.e, wenn er sagt, dass der ↗ Rahmen wie das B. funktioniert (Bleger 1978): Die analytische Situation besteht aus Prozess und Rahmen, d.h. einem Nichtprozess, im Sinne von Konstanten innerhalb derer ein Prozess stattfindet. Der konstante Rahmen (↗ Dauer) ist entscheidend für den Prozess. Er ist das Implizite, von dem das Explizite abhängt. Wird die Grundregel befolgt, entsteht das Problem, dass der Rahmen zum Depot der Symbiose wird, die dadurch vom analytischen Prozess ausgeschlossen ist. Die Funktion des Rahmens ist nur dann auffällig, wenn er verändert oder gebrochen wird. Das dauerhafteste, hartnäckigste und am wenigsten wahrnehmbare (↗ Wahrnehmung) B. ist demnach das, was im Rahmen deponiert (↗ Lager) ist.

Literatur: Baranger/Baranger 1969 u. 2009; Ferro/Basile 2009; Gaburri 1997

Baranger, Madeleine/Baranger, Willy (1961/62): La situación analítica como campo dinámico, in: Revista Uruguaya de Psicoanálisis IV/1, 3–54.

Dies. (1969): Problemas del Campo Psicoanalítico, Buenos Aires.

Dies. (2009): The Work of Confluence, London.

Bleger, José (1978): Simbiosis y Ambigüedad, Buenos Aires.

Ferro, Antonino/Basile, Roberto [Hg.] (2009): The Analytic Field, London.

Freud, Sigmund (1986): Zur Einleitung der Behandlung, in: ders.: Gesammelte Werke, Bd. 8, Frankfurt a. M., 454–478 [1913].

Gaburri, Eugenio [Hg.] (1997): Emozione e Interpretazione, Turin.

Danielle Bazzi

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