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Boden

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Der Begriff B. hat im Deutschen verschiedene Bedeutungen: Erstens ist B. ein schlichtweg räumlich Unteres (↗ Höhe). Zweitens ist er ein Begriff für konkret materialisierte räumliche Unterbegrenzungen (↗ Grenze) von Artefakten (↗ Skulptur), etwa in Dach- und Fußb. Drittens ist er ein agrikultureller Begriff, synonym mit ↗ Erde als ‚B.beschaffenheit‘, auch im Sinne ihrer Unveredeltheit als ‚jungfräulicher B.‘. Viertens ist B. eine ökonomische Kategorie innerhalb von Wertschöpfungs- oder Wertkalkulationstheorien, etwa als B.ertragsgesetz (↗ Kapital). Fünftens ist B. im Sinne von Reformgesetzen ein juristisch-räumlicher Eigentums- und Verwaltungstitel, mitunter ebenfalls in der dritten Fassung als eigentumsloser B., wie etwa in einer Kolonie. Sechstens fungiert B. in politischen ↗ Diskursen als national-räumliche Identifikationsfolie im Sinne des B.s der ↗ Heimat. Siebtens kann B. in nationalistischen oder rassistischen Argumentationsfiguren wie ‚Blut und B.‘ instrumentalisiert werden. Achtens ist B. eine lebensweltliche, aber auch zunehmend politische und ökonomische (Un-)Sicherheitsmetapher, wie sie in der Wendung (↗ Topik) ‚auf sicherem B.‘ aufscheint. Neuntens kann B. schließlich als dezidierte ↗ Metapher in verschiedenen Zusammenhängen als Legitimationsinstanz dienen, wie der ‚B. der Tatsachen‘. Gerade in letzterer Hinsicht avanciert der Begriff im philosophischen Diskurs der Neuzeit zur Referenzebene für Gegebenes, für Verbürgtes, für scheinbar Unhintergehbares und fungiert damit als konkrete, augenscheinliche Basisinstanz: Gilt der ‚schwankende B.‘ René Descartes (1596–1650) in seinem Discours de la méthode von 1637 noch als ein geradezu unsicheres Bezugskriterium, so erlangt der B. spätestens mit Immanuel Kants (1724–1804) Transzendentalphilosophie und im Vorlauf zum Positivismus des frühen 20. Jh.s die Qualität einer Letztbegründung (↗ Anfang). Auch Edmund Husserls (1859–1938) Konzept der Lebenswelt ringt um die Basis von ↗ Wissen und damit von ↗ Kultur schlechthin: Wissenschaft sucht nach dem B. aus dem letzten ↗ Grund, nach dem Urb. alles theoretischen wie praktischen Lebens, wie Husserl in der Krisis-Schrift von 1936 schreibt, wonach die bisherige Philosophie das Ursprungsproblem von Wissen niemals entschieden thematisiert hätte und erst mit Kant transzendentalphilosophisch eine ↗ Wende eingeleitet wird. Diese sei nunmehr radikal voranzutreiben und der dadurch eröffnete B. der ↗ Erfahrung werde zur Basis einer neuen Philosophie, und zwar derart, dass ausdrücklich von diesem aus alle philosophischen und wissenschaftlichen Probleme zu entscheiden wären. Dieser sog. Erfahrungsb. sei die Sphäre (↗ Kugel) oder die ↗ Schicht der Lebenswelt, auf der Wissen gleichermaßen aufruht. Die neue Philosophie wäre laut Husserl (1976, 149) „eine Wissenschaft von dem universalen Wie der Vorgegebenheit der ↗ Welt, also von dem, was ihr universales B.sein für jedwede Objektivität ausmacht“ (↗ Geozentrik). Damit reklamiert Husserl die rein wissenschaftstheoretisch-logische Begriffsdimension, die sich bei seinem Nachfolger und Kritiker Martin Heidegger (1889–1976) bereits in dessen Hauptwerk Sein und Zeit von 1927, z.T. ideologisch getönt, in eine geoexistentialistische (↗ Geophilosophie) und mithin geopolitische (↗ Geopolitik) erweitert.

Literatur: Blumenberg 1987; Briese 2007; Günzel 2002; Schmeiser 1987.

Blumenberg, Hans (1987): Grund und Boden, in: ders.: Die Sorge geht über den Fluß, Frankfurt a. M., 97–108.

Briese, Olaf (2007): Erde, Grund, in: Wörterbuch der philosophischen Metaphern, Darmstadt, 92–101.

Günzel, Stephan (2002): ‚Geschichtlicher Boden‘, in: Phänomenologische Forschungen 7, 52–85.

Husserl, Edmund (1976): Die Krisis der europäischen Wissenschaften, Den Haag [1936].

Schmeiser, Leonhard (1987): Das Gedächtnis des Bodens, in: Tumult 10, 38–56.

Olaf Briese

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