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Brennpunkt
ОглавлениеDer Begriff B. verweist auf Wohngegenden (↗ Wohnen) in Großstädten (↗ Megastadt), in denen sich prekäre soziale ↗ Lagen bzw. randständige ↗ Milieus räumlich konzentrieren und soziale Probleme wie Gewalt und Kriminalität gehäuft auftreten. Die ↗ Marginalisierung der Bewohner eines B.es drückt sich u.a. dadurch aus, dass sie von einem umfassenden nahräumigen Zugang zu den Funktionssystemen der modernen Gesellschaft ausgeschlossen sind (Schroer 2007). Solcherart als ↗ Orte sozialer Exklusion (↗ Ausschluss) und Desintegration identifiziert, gelten B.e als eine Art Krisengebiet mit dringendem Bedarf an sozialpolitischen Maßnahmen. Im Gegensatz zu früheren Formen sozialräumlicher (↗ Sozialraum) ↗ Segregation in der ↗ Stadt werden B.e als Symptom eines „neue[n] Regime[s] städtischer Ausgrenzung“ (Wacquant 2006, 19) betrachtet, das sich im Zuge postfordistischer Modernisierung (↗ Arbeit) in allen Städten des kapitalistischen (↗ Kapital) Westens (↗ Okzident) etabliert und zu einer verschärften Polarisierung sozialer Ungleichheit führt. B.e sind demnach als Resultat eines sozialräumlichen Strukturwandels der Großstädte anzusehen und nicht als punktuell auftretende Probleme, die mittels schneller Interventionen nach Art des Löschens eines Brandes durch die Feuerwehr gelöst werden könnten: Mit der Beschreibung als B. gehen sog. Quartierseffekte im Sinne einer territorialen Stigmatisierung einher, die dazu führen, dass aus ohnehin benachteiligten Stadtteilen schließlich „benachteiligende Orte“ (Häußermann 2000, 20) mit sich verstetigenden Armutslagen (↗ Armut) werden. Der Begriff wird daher durch alternative ↗ Semantiken wie z.B. ‚problembeladene ↗ Quartiere‘ oder ‚Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf‘ (↗ Entwicklung) abgelöst. Besonders in der sozialraumorientierten sozialen Arbeit wird dabei vor der Gefahr einer Containerisierung (↗ Schachtel) und ↗ Verdinglichung sozialer Probleme gewarnt, wodurch Prekarität deterministisch auf ein Problem des lokalen Nahraums (↗ Ferne) reduziert wird (Kessl/Reutlinger 2007).
Literatur: Baum 2007; Hohm 2011; Santen 2010.
Baum, Detlef [Hg.] (2007): Die Stadt in der sozialen Arbeit, Wiesbaden.
Häußermann, Hartmut (2000): Die Krise der ‚sozialen Stadt‘, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 50, 13–21.
Hohm, Hans-Jürgen (2011): Urbane soziale Brennpunkte, Weinheim.
Kessl, Fabian/Reutlinger, Christian (2007): Sozialraum, Wiesbaden.
Santen, Eric van (2010): Brennpunkt, in: Raumwissenschaftliche Basics, hg. v. Ch. Reutlinger, C. Fritsche u. E. Lingg, Wiesbaden, 45–53.
Schroer, Markus (2007): Defizitäre Reziprozität, in: Achsen der Ungleichheit, hg. v. C. Klinger, G. Axeli-Knapp u. B. Sauer, Frankfurt a. M./New York, 257–270.
Wacquant, Loïc (2006): Städtische Ausgrenzung im 21. Jahrhundert, in: ders.: Das Janusgesicht des Ghettos, Berlin, 19–32 [dän. 1997].
Jessica Wilde