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3.1.2 Ein Erweiterungsvorschlag für ein heuristisches Modell fachlich kodierter Emotionen

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Das Problem der in Kapitel 3.1.1 in Anknüpfung an Mees entwickelten Modellskizze ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass nur ein Teil fachbezogener Emotionen erfasst wird: die Subjektseite, d. h. diejenigen Emotionen, die bei fachlich Lehrenden und Lernenden ausgelöst werden. Aus der Perspektive der Allgemeinen Fachdidaktik ist hingegen festzustellen, dass fachdidaktische Forschung stets die Oszillation zwischen zwei Polen im Blick hat: »die fachlichen Objekte auf der einen und die fachlich lernenden und lehrenden Subjekte sowie deren Interaktionen auf der anderen Seite« (Frederking, 2017, S. 186). Im Hinblick auf die emotionalen Facetten fachlichen Lehrens und Lernens sind folglich zwei Grundoptionen zu unterscheiden: die Subjekt- und die Objektseite fachlich kodierter Emotionen, d. h. von Emotionen, die im Fachunterricht oder bei außerschulischen Formen fachbezogener Lehr-Lernprozesse formell oder informell in Erscheinung treten.

Vor diesem Hintergrund wird ein allgemeines fachdidaktisches Modell fachlich kodierter Emotionalität vorgeschlagen, in dem zwei Grundtypen unterschieden werden ( Abb. 3.1).

Typus A bezeichnet in Übereinstimmung zu der in Anknüpfung an Mees entwickelten Skizze Emotionen auf der Subjektseite fachdidaktischer Emotionsforschung, d. h. Emotionen, die bei Lehrenden wie Lernenden in jedem schulischen Unterrichtsfach in fachspezifisch präsentierter oder evozierter Form in Erscheinung treten. ›Fachlich präsentierte‹ Emotionen sind Teil des fachspezifischen Selbstkonzepts und der fachbezogenen Einstellungsmuster von Lehrenden und Lernenden, als ›fachlich evoziert‹ werden Emotionen bezeichnet, die durch das Fach bzw. die fachbezogenen Lehr-Lernprozesse ausgelöst werden. Leitend für eine theoretische wie empirische Erfassung sind z. B. die Fragen: Welche Emotionen lassen sich im Fachunterricht bei Lehrenden und Lernenden feststellen? Wie, un-


Abb. 3.1: Heuristisches Modell fachlich kodierter Emotionalität (© Volker Frederking)

ter welchen Bedingungen, in welcher Intensität und mit welchen Folgen zeigen sich die Emotionen bei den fachlich Lehrenden und Lernenden? Die an Mees angelehnte Typologie von Emotionen fachlich lehrender oder lernender Subjekte könnte Grundlage für deren empirische Untersuchung sein ( Kap. 3.2).

Typus B bezeichnet Emotionen auf der Objektseite fachdidaktischer Emotionsforschung, d. h. Emotionen, die Teil des fachlichen bzw. disziplinären Gegenstandes sind. Fachdidaktische Forschung rekurriert hier stark auf fachwissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden oder integriert diese in die eigenen Forschungen. Leitend sind z. B. die Fragen: Was sind Emotionen? Welche Emotionen sind Teil des fachlichen Gegenstandes? Wie, unter welchen Bedingungen, in welcher Intensität und mit welchen Folgen sind Emotionen Teil des Fachlich-Disziplinären? Mit welchen Methoden lassen sie sich als unterrichtliche Phänomene erfassen? Dabei treten Emotionen des Typus B im Unterschied zu denen des Typus A nicht in jedem Schulfach auf. So gibt es Fächer wie Mathematik oder Physik, bei denen Emotionen in den zugrunde liegenden Fachwissenschaften in Bezug auf den disziplinären Forschungsgegenstand keine Bedeutung haben ( Kap. 13). Demgegenüber sind Emotionen in anderen Fachdidaktiken Teil des fachlich-disziplinären Forschungsgegenstandes, wie die Auswertung der in diesem Band enthaltenen Beiträge zu den Fächern Biologie, Deutsch, Fremdsprachen, Geographie, Geschichte, Religion und Sport ( Kap. 8, 9, 10, 11, 12, 14 und 15) zeigen wird ( Kap. 3.3).

Beide Grundtypen fachlich kodierter Emotionen sollen nachfolgend in exemplarischen Ausprägungen in den Blick genommen werden. Dabei wird jeweils auch die Frage Berücksichtigung finden, ob diese fachlich in Erscheinung tretenden Emotionen nur im Zusammenhang mit Leistungsaspekten eine Rolle spielen oder auch im Hinblick auf die Persönlichkeit der Lehrenden und Lernenden.

Damit sind divergente Ausrichtungen benannt, zu deren theoretischer Verortung sich die Unterscheidung zwischen funktional und personal ausgerichteter fachlicher Bildung anbietet (vgl. dazu Frederking & Bayrhuber, 2017; 2020). Funktionale fachliche Bildung bezeichnet in diesem Sinne fachliches Lehren und Lernen mit dem Ziel des fachspezifischen Kompetenz- und Wissensaufbaus in sach- und anwendungsbezogener Perspektive, wie sie aktuell durch PISA, das Literacy-Konzept, die Bildungsstandards (vgl. z. B. Klieme et al., 2003) und Jürgen Baumerts (2002) domänenspezifische Modi der Weltbegegnung in fachlichen Curricula und in fachdidaktischer Forschung eine zentrale Rolle spielt. Als personale fachliche Bildung wird demgegenüber in Anlehnung an Wilhelm von Humboldt (1793) und in fachdidaktischer Applikation und Weiterentwicklung des von ihm geprägten personalen Bildungsbegriffs das Ziel eines fachlich reflektierten Selbst- und Weltverhältnisses der Schüler*innen und einer vernunftgeleiteten und aufgeklärten Haltung auf wissenschaftlich-fachlicher Grundlage bezeichnet. Diese beiden Grundausrichtungen fachlicher Bildung werden im Horizont der Allgemeinen Fachdidaktik als komplementäre Bestandteile fachspezifischer Bildungsprozesse verstanden (vgl. Frederking & Bayrhuber 2017; 2020). Baumerts Modell der Allgemeinbildung und den darin zentralen domänenspezifischen Modi der Weltbegegnung wird damit ein fachdidaktisches Modell fachlicher Bildung an die Seite gestellt, bei dem fachspezifische Modi der Welt- und Selbstbegegnung mit funktionalem und personalem Fokus die beiden Grundpole darstellen.

Auf dieser Basis wird in den beiden nachfolgenden Kapiteln die Unterscheidung zwischen funktionalen und personalen Formen fachlicher Bildung als heuristisches Orientierungsraster genutzt, um Zielhorizonte zu erfassen, mit denen Emotionen auf der Subjekt- und auf der Objektseite im Unterrichtsprozess fachlich verortet und in fachdidaktischen Forschungen fokussiert werden. Was dies konkret bedeutet, soll nachfolgend erläutert werden.

Emotionen im Unterricht

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