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1.3 Eine erste öst-westliche translatio studiorum
ОглавлениеSo war in der spätantiken Welt der Mittlere Osten die Gegend, die „exportierte“. Wirtschaftlich hatte das ägyptische Getreide Rom ernährt. Auch geistig kamen vom Osten her zu den übrigen Teilen des Mittelmeerbeckens religiöse Bewegungen wie der Mithraskult, die dem Hermes Trismegistos zugeschriebenen Schriften, das Judentum und in dessen Fahrwasser das Christentum.
Während der Epoche, die der arabischen Eroberung beziehungsweise dem Aufstieg des Islam unmittelbar voranging, war der Mittlere Osten immer noch exportierend in Personen und Gütern kulturellen, geistigen und geistlichen Inhalts. Auf dem Gebiet des alltäglichen Lebens war zum Beispiel das Krankenhaus eine Institution, deren östlicher Ursprung den Europäern der damaligen Zeit noch bekannt war.5 Was das intellektuelle Leben anbelangt, so strahlten die syrischen Schulen bis zum fernen Westen aus. So adaptierte Junilius Africanus die auf syrisch geschriebene Einführung in die Heilige Schrift von Paul dem Perser (beide 6. Jahrhundert), der die Erträge der exegetischen Schule zu Antiochien zusammenfasste, ins Lateinische.6 Als Cassiodor 555 das Kloster Vivarium in Kalabrien als Zentrum biblischer Forschung und Konservatorium der klassischen Literatur gründete, schwebte vor seinen Augen das Musterbeispiel der syrischen Schule zu Nisibis.7
Nach der arabischen Eroberung hörte der griechische und syrische Osten nicht auf, einen beträchtlichen Teil des hohen kirchlichen Personals des Westens zu liefern. Unter den römischen Päpsten des 7. und 8. Jahrhunderts findet man mehrere Syrer wie Sergius (687–701) oder Gregor III. (731–742). So lässt sich eine erste, zwar noch bescheidene, translatio studiorum vom Mittleren Osten nach Europa schon vor dem Islam belegen, erst recht vor den im 12. Jahrhundert verfassten toledanischen und sizilianischen Übersetzungen philosophischer und wissenschaftlicher Werke aus dem Arabischen.