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3.4 Eine religiös gefärbte Philosophie
ОглавлениеAuf der Seite der Philosophie, die sich auf dem spätantiken Markt anbot, war die Stimmung der Religion gegenüber überhaupt nicht feindlich gesinnt. Im 5. und 6. Jahrhundert hatte der Spätneuplatonismus die übrigen Schulen (Stoa, Epikureismus, Skeptizismus) fast völlig verdrängt. Unter den Werken des Aristoteles hatte er diejenigen, die als Lehrbücher (Pragmatien) der Logik, der Physik und der Ethik dienen konnten, als erste, propädeutische Etappe ins Curriculum der Studien integriert. Dabei bildeten die Dialoge Platons die höchste Stufe, die als Einweihung in Mysterien verstanden wurde.
Die Konkurrenz der orientalischen Religionen, unter denen es auch das Christentum gab, versuchten die Philosophen durch eine stärkere Betonung der Religiosität zu übertrumpfen. Das Phänomen des Heiligen Buchs, das eine endgültige Wahrheit enthält und sie liefert, wenn man es sinngemäß auslegt, war bisher das Privileg des Judentums. Mit den Schriften des Hermes Trismegistos und den Chaldäischen Orakeln erschienen im späten 2. Jahrhundert „heidnische“ Äquivalente.19 Die ersteren waren für das niedrige Volk gemeint, die letzteren aber, die den geistigen Bedürfnissen der Elite angemessener waren, wurden von Philosophen wie Porphyrios und Proklos kommentiert. Der Weg für die philosophische Aneignung des Korans war geebnet.
Das Gebet wurde zu einem integrierenden Teil der philosophischen Praxis, so dass manche Philosophen Hymnen an die Götter und Gebete verfassten. So Proklos;20 so viel später der byzantinische Giorgios Gemistos (Plethon), der im 15. Jahrhundert als dritten Weg zwischen Christentum und Islam ein neuplatonisch gedeutetes Heidentum erneuern wollte.21 Wenn die Große Anrufung, die dem Fārābī zugeschrieben wird, wirklich von ihm stammt, ist sie vielleicht auf dem Hintergrund dieser philosophischen Gewohnheit zu verstehen.22