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3.5 Die Streitpunkte

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Zwischen Philosophie und Islam waren die heiklen Punkte recht zahlreich. Keiner hat sie besser eingesehen als al-Ġazāli, der eine Liste solcher Punkte aufgestellt hat. Wegen dreier ihrer Thesen verdienten es die Philosophen, des Unglaubens bezichtigt zu werden (takfīr); in siebzehn weiteren Punkten seien sie der unerlaubten Neuerung zu beschuldigen (tabdīʿ).23 Die drei Steine des Anstoßes sind:

– Die Welt sei nach den Philosophen ewig und ungeschaffen; der Koran erzählt mehrmals von ihrer Schöpfung in sieben Tagen.

– Gott kenne, nach Aristoteles, im Grunde nur Sich selbst. Von der Welt kenne Er, so die späteren Kommentatoren, nur die Ideen oder Gattungsbegriffe (Universalien), nicht dagegen die Individuen als solche;24 nach dem Koran entgeht Gott nicht das Gewicht eines Stāubchens (Q 10.61).

– Die Philosophen bekennen lediglich die Unsterblichkeit der vom Leibe befreiten Seele, vielleicht entkomme nur der Intellekt dem Vergehen, wobei der Leib, und mit ihm die niederen Seelenvermögen unwiederbringlich verwesen; der Koran verkündet feierlich die Auferstehung der Leiber am jüngsten Tag.

Hier ist eine weitere Schwierigkeit hinzuzufügen: Die moralischen Werte, für die Gott bürge, sind nicht die Gebote eines allgemeinen, von der Religion unabhängigen natürlichen Gesetzes, so wie es die Philosophen bevorzugen; vielmehr bilden sie ein positives Gesetz, das den ausdrücklichen Willen Gottes wiedergibt. Der Gott des Islam gebe den Menschen sein Gesetz. Es bestimmt das, was den Augen Gottes als gut und schlecht gilt. Das Gute und das Böse kulminieren im Glauben und im Unglauben. Der Glaube sei ein Werk, das besser sei als jede gute Handlung; der Unglaube sei eine schlimmere Sünde als all die übrigen.

Die Philosophen waren sich ebenfalls bewusst, dass das Verhältnis ihres Fachs mit der zivilen und religiösen Obrigkeit nicht immer friedlich war. Die Vorsicht, mit der Sokrates seine Methode des Fragens als rein menschliches Wissen vom „göttlichen Wissen“, für das er sich als nicht zuständig erklärte, abhob, blieb den mittelalterlichen Denkern im Gedächtnis;25 und auch sein Schierlingsbecher. Sie wussten, dass ihre Kollegen in der Antike angesichts der Verfolgungsgefahr einen esoterischen Stil der Mitteilung hatten benutzen müssen, ja fallweise Meinungen vertreten mussten, denen sie im Grunde ihrer Herzen keinen Glauben schenkten. Das könnte das Verhalten des Johannes Philoponos erklären, als er für die Schöpfung der Welt Partei nahm.26

Islamische Philosophie im Mittelalter

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