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Vom Aussterben der Árpád-Dynastie bis zur Vertreibung der Türken (1301–1686)

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Zu Beginn des 14. Jhs. war die Zahl der Juden in Ungarn gering. Die Mehrzahl der bekannten Gemeinden – Preßburg, Ofen, Esztergom – entstanden in den Städten im Westen des Landes, die sich gerade erst entfalteten. Obwohl diese Gemeinden Synagogen, Friedhöfe und Mikwot besaßen, war das religiöse Leben nicht hoch entwickelt. Mit dem Erlöschen der Árpád-Dynastie (1301) ging für die Juden ein dreihundertjährige Zeit der Ruhe, in der sie, verglichen mit dem christlichen Europa, recht günstige rechtliche Bedingungen genossen hatten, zu Ende. Ludwig I. (1342–1382), nach Karl I. (1308–1342) der zweite ungarische Herrscher aus dem Haus Anjou, vertrieb kurzzeitig die in Ungarn lebenden Juden. Auch ließ er die Schuldbriefe, die sich im Besitz von Juden befanden, vernichten, ein bis dahin in Ungarn unbekanntes Verfahren.

König Sigismund (1387–1437) ließ am Ende des 14. Jhs. die Institution der Kammerknechtschaft, die durch das Privileg von 1251 eingeführt worden war, durch eine Bestätigung dieses Privilegs wieder aufleben. Für die Juden bedeutete dies einerseits immer weiter steigende Steuerbelastungen, andererseits aber auch effektiven königlichen Schutz vor Angriffen von seiten der Städte. Sigismund führte auch die Institution des „Landesjudenrichters“ ein, ein Amt, das gewöhnlich von dem jeweiligen Schatzmeister, gelegentlich auch vom Palatin, dem königlichen Hofpfalz grafen, bekleidet wurde.

Als Matthias Corvinus 1451 den Thron bestieg, nahm für die Juden die Belastung durch Steuern noch einmal bedeutend zu. Gleichzeitig garantierte Matthias Corvinus den Juden jedoch geordnete Rechtszustände sowie den Schutz ihrer Person und ihres Eigentums. Er schuf das Amt eines für jüdische Angelegenheiten zuständigen „Präfekten“, das das Amt des „Judenrichters“ ablöste und im Gegensatz zu diesem nicht von einem Christen, sondern immer von einem Juden ausgeübt wurde. Dieses Amt überlebte die Niederlage der ungarischen Truppen gegen das Aufgebot des Osmanischen Reiches in der Schlacht von Mohács im Jahr 1526 und befand sich bald fest in der Hand der Familie Mendel aus Ofen. Der „Präfekt“ besaß mehr Machtbefugnisse als sein Vorgänger, der „Judenrichter“. Als alleiniger Vertreter der Krone gegenüber den Juden entschied er über die Verteilung der Steuern und sorgte auch für ihre Eintreibung. Er durfte gegen Diebe und gegen diejenigen, die sich der Steuerzahlung entzogen, vorgehen und verfügte sogar über ein eigenes Gefängnis. Durch seine direkte Beziehung zum König hatte er die Möglichkeit, gegen übermäßige Steuerforderungen, gegen Versuche der Vernichtung von Schuldbriefen und gegen die Gewalttätigkeiten von seiten der Gutsherren oder der städtischen Behörden wirksamer vorzugehen.

War die Lage der Juden in Ungarn gegen Ende der Regierungszeit von Matthias Corvinus im ganzen günstiger als in vielen anderen Teilen Europas, so änderte sich dies mit dem Tod des Herrschers im Jahr 1490. Vier Jahre später wurde in Nagyszombat eine Ritualmordbeschuldigung erhoben, die erste in der Geschichte des Landes überhaupt, aufgrund deren 14 Juden in den Feuertod geschickt wurden.

Zu Beginn des 16. Jhs. gab es an mehreren Orten – in Ofen, Preßburg, Nagyszombat, Székesfehérvár, Gyôr, Esztergom, Alt-Ofen, Kassa usw. – größere jüdische Gemeinden. Daneben existierte eine Vielzahl von kleinen Gemeinden. Nachdem die Truppen des Osmanischen Reiches 1526 bei Mohács über die Ungarn gesiegt und den größten Teil des Landes besetzt hatten, nahm die Anzahl der Juden in Ungarn ab. Historisch bedeutende Gemeinden lösten sich auf und wurden im 16. und 17. Jh. meist auch nicht mehr neu gegründet. In dem von den Osmanen besetzten Ofen wuchs die jüdische Gemeinde jedoch aufgrund von Zuwanderung an. In der zweiten Hälfte des 16. Jhs. gab es hier bereits drei Synagogen – eine nach sefardischem, eine nach syrischem und eine nach aschkenasischem Ritus, wobei die zahlenmäßig größte Gruppe die Aschkenasim waren. Auch in anderen Orten des Eroberungsgebietes lebten Juden, so z.B. in Gyöngyös, Vác und Székesfehérvár. Die Osmanen schränkten die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Kaufleute anderer Konfessionen nicht ein, da diese als Steuerzahler eine wichtige Rolle für die Besatzungsmacht spielten.

Der erste Bericht über Juden in Siebenbürgen stammt aus dem 16. Jh. Anfangs wanderten hier in erster Linie sefardische Juden ein, die sich in Gyulafehérvár niederließen. Aschkenasische Juden ließen sich erst in der zweiten Hälfte des 17. Jhs. hier nieder, drängten die Sefardim dann aber mehr und mehr in den Hintergrund. Gyulafehérvár blieb für die Juden in Siebenbürgen weiterhin das Zentrum, und die dortigen Rabbiner, deren Aufgabe es auch war, für die Eintreibung der Steuern zu sorgen, trugen den Titel „Primarius des in Siebenbürgen lebenden ganzen jüdischen Volkes“. Aufgrund dieser Konstellation konnten die Juden in Siebenbürgen im Laufe der Zeit eine Landesorganisation ausbauen.

Das Siebenbürgen des 16. und 17. Jh. war auch der Schauplatz einer einzigartigen Episode der (jüdisch-)ungarischen Geschichte: der Entstehung des Sabbatariertums. Die judaisierende Sekte der Sabbatarier trennte sich bereits 1588 von den Unitariern, einer radikalen Richtung innerhalb der ungarischen Reformationsbewegung, die die traditionelle Dreifaltigkeitslehre ablehnte. Zur Entfaltung, die in einer vollständigen Identifizierung mit dem Judentum mündete, kam das Sabbatariertum jedoch erst zu Beginn der zwanziger Jahre des 17. Jhs. Die Sabbatarier, unter denen sich auch viele reiche und politisch bedeutende Personen befanden, wurden bald verfolgt, und es erschienen eine Reihe von Anordnungen, die das Sabbatariertum verboten. Schließlich wurde unter Androhung der Todesstrafe und der Konfiszierung von Hab und Gut der 1. Juli 1638 als der letzte Termin für die Rückkehr zu einer der anerkannten Konfessionen bestimmt. Nach Ablauf der Frist wurden die Prozesse schnell durchgeführt. Hunderte von Sabbatariern, die ihrem Glauben treu blieben, wurden eingekerkert, und die Zahl der Urteile über Vermögenskonfiszierungen betrug mehrere Tausend. Die Sabbatarier-Bewegung wurde dadurch fast vollständig zerstört.

In den Türkenkriegen von 1663/64 und 1683–1699 gelang es den Habsburgern, die Osmanen aus Ungarn zu verdrängen und die österreichisch-ungarische Großmacht zu begründen. Als die kaiserlichen Truppen 1686 Ofen eroberten, ermordeten sie fast die Hälfte der dortigen Juden, die bis dahin friedlich unter der osmanischen Herrschaft gelebt hatten und an der Seite der Osmanen kämpften. 500 Juden wurden umgebracht, die übrigen monatelang gefangen gehalten und erst nach Zahlung eines Lösegeldes wieder freigelassen. Die Überlebenden wurden auf Anordnung von Kaiser Leopold I. (1655–1690) aus den königlichen Städten verdrängt. Dieses Verbot konnten aber nur die Bergbaustädte in Oberungarn über eine längere Zeit – bis 1860 – durchsetzen.

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