Читать книгу Festschrift für Jürgen Taeger - Группа авторов - Страница 139
c) Umfang der Aufzeichnungspflicht
ОглавлениеDer deutsche Gesetzgeber hat das Spannungsverhältnis zwischen der gesetzlichen Aufzeichnungspflicht des § 83 WpHG zur Ermöglichung der Beweissicherung und dem Grundsatz der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO) gesehen, wonach Daten nur in dem Umfang verarbeitet werden sollen, wie sie tatsächlich für den festgelegten Zweck benötigt werden. Einigkeit besteht im deutschen Recht darüber, dass dem Aufeinandertreffen zwischen Datenschutz- und Wertpapierhandelsrecht zunächst durch eine differenzierte Betrachtung der in Frage kommenden Fälle zu begegnen ist. Dabei unterscheiden sowohl die Gesetzesbegründung zum 2. FiMaNoG, mit welcher die MiFID II-Regelung umgesetzt wurde, als auch die BaFin zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die ausschließlich Wertpapierdienstleistungen anbieten, und solchen, die gleichzeitig andere Dienstleistungen erbringen. Nur in letzterem Fall hat die nationale Aufsichtsbehörde Bedenken bzgl. einer vollumfänglichen Aufzeichnung.
Wenn ausschließlich Wertpapierdienstleistungen erbracht werden, hat eine Aufzeichnung vom Anfang des Telefongesprächs an zu erfolgen, da der Zweck des Gesprächs allein auf eine solche Dienstleistung bezogen sein kann. Zwar ist nicht auszuschließen, dass dabei auch persönliche Konversation betrieben wird, die nicht mit dem Geschäft zusammenhängt. Das wird aber im Interesse der ansonsten möglicherweise lückenhaften Beweissicherung hingenommen.
Anders soll das im Hinblick auf solche Unternehmen sein, die zusätzlich andere als die aufgeführten Wertpapierdienstleistungen anbieten. Hier kann sich ein Telefongespräch entweder auf einen aufzuzeichnenden Sachverhalt oder einen solchen, der nicht unter § 83 Abs. 3 WpHG fällt, beziehen.
Die europäische Aufsichtsbehörde ESMA differenziert hier nicht und geht auch für solche Fälle ohne Weiteres davon aus, dass die Telefongespräche und die elektronische Kommunikation mit dem Kunden vollumfänglich („entirety“) aufzuzeichnen sind.53 Datenschutzrechtliche Bedenken werden dort nicht geäußert. Ein umfassender Mitschnitt der Telefongespräche, selbst wenn andere Dienstleistungen angeboten werden, steht aber nicht im Einklang mit dem bereits genannten Grundsatz der Datenminimierung nach Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO. Die Datenverarbeitung ist hier nicht mehr auf das für die Beweissicherung notwendige Maß beschränkt.54 Damit bedürfen Aufzeichnungen, die über die Verpflichtungen der MiFID II hinausgehen, einer weiteren Rechtsgrundlage.55
Zwar gibt der deutsche Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zum 2. FiMaNoG dem Zweck der Beweissicherung ebenfalls insofern den Vorzug vor datenschutzrechtlichen Bedenken, als auch dann, wenn mehr als nur die aufzeichnungspflichtigen Dienstleistungen i.S.d. § 83 Abs. 3 WpHG angeboten werden, mit der Aufzeichnung jedenfalls „frühzeitig“ zu beginnen sein soll.56 Die BaFin lässt es aber in diesen Konstellationen genügen, dass die erforderliche Aufzeichnung erst im Verlauf eines Telefongesprächs beginnt. Ein Stoppen der Aufzeichnung vor dem Ende des Gesprächs wird dann als möglich angesehen, wenn der von Gesetzes wegen relevante Inhalt erfasst ist, d.h. wenn der wertpapierdienstleistungsbezogene Part des Kundengesprächs beendet ist.57
Die Dauer der Aufzeichnung soll etwa bei der Anlageberatung vom Zielmarkt und den Risiken des angebotenen Finanzinstruments abhängen.58 Sofern es um ein beratungsfreies Wertpapiergeschäft geht, d.h. der Kunde seine Order für ein bestimmtes Finanzinstrument in eigener Verantwortung abgibt, ist jedenfalls der Teil des Telefongesprächs aufzuzeichnen, in welchem spätestens bei Ordererteilung gegenüber dem Kunden die Zusammenfassung des Geschäftsabschlusses bestätigt wird.59
Allerdings wird in der Gesetzesbegründung mit dem Abstellen auf eine „frühzeitige“ Aufzeichnung60 auf eine generelle Benennung des richtigen Anfangszeitpunkts verzichtet. Eine solche wird abstrakt nicht möglich sein, da ein Telefongespräch hier in seinem Verlauf ungeplant in eine Beratung über Wertpapierdienstleistungen übergehen kann. Hier kommt es auf den Einzelfall an.61 Dabei besteht die Aufzeichnungspflicht ab dem Zeitpunkt, zu dem das Gespräch in eine Wertpapierberatung übergeht.62